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und Bedingtem drücken namentlich die Vorrangsätze die gliedhafte
Verbundenheit aus
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; in der Umgliederung erst sind es Grund und
Folge, Ursache und Wirkung, die im hypothetischen Urteile her-
vortreten.
/
E. Die u m s t r i t t e n e n U r t e i l e
Durch die Lehrbücher der Logik zieht sich ein müßiger Streit
darum, ob gewisse Sätze überhaupt als Urteile gelten können. So
die sogenannten Existenzialsätze, z. B.: „Es gibt einen Gott“, „Gott
ist“; die damit verwandten Wahrnehmungs- und Feststellungssätze,
z. B.: „Das ist ein Baum“; die Sätze, deren Subjekte auf bloßen
Substantivierungen beruhen, z. B.: „Das Bergsteigen strengt Herz
und Lunge an“; ferner die sogenannten Impersonalien wie „Es
blitzt“, „Es brennt“, die sogar zu einem einzigen Ausruf verkürzt
werden können, z. B.: „Feuer!“; endlich die Frage- und Wunsch-
sätze, z. B.: „Ich möchte morgen in die Berge wandern."
Handelt es sich hier überall um echte Urteile? Wir können diese
Frage deshalb entschieden bejahen, weil wir ja auch in dem klassi-
schen kategorischen Urteil „S ist P“ bereits eine V e r e i n f a -
c h u n g sehen, eine Vereinfachung des gliedernden, eine Ganzheit
entfaltenden Urteils. Alle die angeführten Sätze nun sind ebenfalls
nichts als Vereinfachungen, Vereinzelungen, und zwar in der be-
sonderen Art von Behelfen, Zwischenformen, Provisorien. Rein für
sich genommen könnten diese Urteile ebenso wenig bestehen wie
die kategorischen Urteile „S ist P“. Auch diese setzen ja den nöti-
gen Zusammenhang (den die divisiven Urteile ausdrücklich dar-
stellen) stillschweigend voraus oder entwickeln ihn später. Wahr-
nehmungs-, Existenzialurteile, Impersonalien, Fragen, Wünsche sind
daher:
1.
nach der Seite der Vereinfachung hin als g e s c h r u m p f t e
oder v e r k ü m m e r t e Urteile zu bezeichnen;
/
2.
nach der Seite aber, daß sie in späteren Zusammenhängen
noch eine Entwicklung zum gliedernden, divisiven Urteile hin er-
fahren können, dagegen als k e i m h a f t e Urteile!
Die wichtigsten der übrigen, von der formalen Logik herkömm-
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Siehe oben S. 108 f.
10 Logik