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„Die Gesellschaft ist in geistige und handelnde Teilinhalte ausgeglie-
dert“, ebenso gut: „Die Gesellschaft gliedert sich i n . . . usw. aus“;
statt: „Der Hund ist wachsam“: „Der Hund wacht.“ Die G l i e d -
h a f t i g k e i t d e s P r ä d i k a t e s i s t s c h o n d i e K o p u l a ,
einer eigenen Form dafür bedarf es nicht. Sollten jene Sprachen, die
kein Hilfszeitwort besitzen, überhaupt kein Urteil haben? Das zu
behaupten, ist schlechthin unmöglich!
/
G.
A n a l y t i s c h e u n d s y n t h e t i s c h e U r t e i l e
K a n t geht in seiner Kritik der reinen Vernunft bekanntlich
von der Unterscheidung analytischer und synthetischer Urteile aus.
Analytisch seien solche Urteile, deren Prädikat schon im Subjekt-
begriffe enthalten ist, z. B.: „Alle Körper sind ausgedehnt“; das
Prädikat „ausgedehnt“ ist im Begriffe „Körper“ schon enthalten.
Synthetisch dagegen seien jene Urteile, deren Prädikat nicht im
Subjektbegriffe enthalten ist, sondern mit ihm erst verknüpft wird,
z. B.: „Alle Körper sind schwer“; das Prädikat „schwer“ ist im
Begriffe „Körper“ nicht enthalten, sondern wird durch einen syn-
thetischen Akt mit ihm verbunden. Daher nennt Kant die analyti-
schen Urteile auch „Erläuterungsurteile“, die synthetischen „Erwei-
terungsurteile“.
Diese Unterscheidung wurde vielfach angefochten. Nach Schleier-
macher und Trendelenburg bestehen keine scharfen Grenzen, denn
was der eine dem Begriffe hinzufüge, sei dem anderen schon darin
enthalten. Jedes Urteil sei analytisch und synthetisch zugleich. Auch
die meisten Lehrbücher der Logik fechten die Kantische Eintei-
lung an.
Ich sprach mich in meinem „Philosophenspiegel" bereits über
diese Frage aus und setze daher die dort an der Kantischen Eintei-
lung geübte Kritik hierher
1
.
Es gibt nur analytische Urteile, aber diese beruhen allerdings auf
synthetischen Leistungen des Denkens im Sinne Kantens. Steht es
doch nach Kant selbst / fest, daß auch bei den analytischen Urteilen
die Kategorien unentbehrlich sind und ohne ihre „apperzeptive
Synthesis“ (um mit Kant zu sprechen) keine Sicherheit und Allge-
1
Vgl. dazu mein Buch: Philosophenspiegel, 3. Aufl., Graz 1970, S. 90 f.
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