D r i t t e r A b s c h n i t t
Die Lehre vom Schlusse
V o r b e m e r k u n g
In der Lehre vom Schlusse treten uns wieder die drei Hauptrich-
tungen der Logik entgegen, die empiristisch-psychologische, die for-
male und die idealistische oder spekulative.
Der Empirismus sieht den Hauptteil der Logik im U r t e i l e ,
weil er die Quelle der Erkenntnis in der Sinneserfahrung erblickt,
das Urteil aber für eine Verbindung von Vorstellungsinhalten, die
aus der Erfahrung stammen, hält. Die Lehre vom Schlusse hat da-
her nur eine abgeleitete Stellung, nach Locke z. B. ist der Syllogis-
mus überflüssig. (Dagegen behandelt allerdings der aus dem Em-
pirismus hervorgegangene mathematische Logikkalkül die Schluß-
lehre nicht etwa als Abschluß oder Krönung, sondern als Fundament
der Logik
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; er schließt sich in diesem Punkte dem Formalismus an.)
Der Formalismus sieht den ansehnlichsten Teil der Logik in der
Lehre vom S c h l u s s e und hält die vom Inhalte absehenden rei-
nen Schlußformen oder sogenannten Schlußfiguren für die wich-
tigste Quelle der Erkenntnis.
Der Idealismus dagegen sieht, sofern ihm die Eingebung als die
tiefste Quelle der Erkenntnis gilt, den Hauptteil der Logik im Be-
griffe. Die Eingebung wird ihm nicht nur durch das Urteil, son-
dern auch durch / den Schluß zum Begriffe entfaltet, und in diesem
Sinne hat dem Idealismus die Lehre vom Schlusse eine dienende,
wenn auch abschließende Stellung. Alle Teile der Logik kreisen für
den echten Idealismus um die Entfaltung der Eingebung (oder was
ihr entspricht: Idee, Form, dialektische Vernunft) zum Begriffe, und
nur eine dieser Entfaltungsweisen ist der Schluß. Es ist eine gründ-
liche Verkennung des zerlegenden, reflektierenden Denkens, zu dem
der Schluß gehört, wenn man ihm die ursprüngliche Rolle in der
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Gerhard Stammler: Begriff, Urteil, Schluß, Halle 1928, S. 231 und öfters.