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sagt K u n o F i s c h e r , dessen Logik in ihrer besonnen hegelischen Einstellung

sonst manche Vorteile vor der herrschenden Lehre bietet: „Jener Schluß, der die

Subsumtion des Besonderen unter das Allgemeine durch die Reihe der Einzelnen

vermittelt, ist die Induktion“

1

. Durch das „Vermitteln“ scheint Kuno Fischer der

herkömmlichen Lehre eine neue Wendung zu geben. Es fragt sich nur, wie die

„Reihe der Einzelnen“ je das Allgemeine „vermitteln“ könne? Woher soll dieses

Allgemeine kommen? Diese Frage besteht für Kuno Fischer so wenig wie für die

von ihm sonst bekämpfte formale Logik. Daß zur / Auffindung dieses Allge-

meinen ein Ü b e r g a n g i n e i n a n d e r e s Genus, nämlich der Eingebung,

nötig ist, wird gar nicht in Betracht gezogen. Daher heißt es dort weiter: „Wenn

die Reihe der Einzelnen... vollständig gegeben ist, so ist der Induktionsschluß

vollständig... Die Induktion geht vom Einzelnen a u s . . . Die Erkenntnis aber,

deren erstes Objekt sie ausmacht, ist die Erfahrung. Darum ist das Gebiet der

Erfahrung und der empirischen Wissenschaften der eigentliche Spielraum der In-

duktion“

2

. Kuno Fischer fällt also wie seine Gegner in die falsche Vorstellung

einer „vollständigen“ und „unvollständigen“ Induktion und bedenkt nicht, daß

die Aufzählung noch so vieler Einzelfälle keine Erkenntnis des Allgemeinen in

sich schließe.

Jeder Einzelfall vertritt alle anderen Fälle, aber das Allgemeine, unter dem sie

sämtlich befaßt sind, zu finden — das ist die Aufgabe! Daher kann z. B. die Er-

kenntnis „Alle Pferde sind Huftiere“ niemals dadurch gewonnen werden, daß

sämtliche Pferde der Welt beobachtet werden, sondern nur dadurch, daß dem

Beobachter bei irgend einem Pferde die Erleuchtung aufblitzt: „Das Pferd ist

seinem anatomischen Baugesetze nach ein Huftier, ein Einhufer.“ Von „vollstän-

diger“ Induktion kann daher nur reden, wer das Wesen der Induktion nicht ver-

steht.

Erst die Erkenntnis des Wesens der Verallgemeinerung eröffnet uns das We-

sen des induktiven Schlusses und f ü g t d i e s e n a l s e i n e n h i n a u f s t e i -

g e n d e n , e i n g l i e d e r n d e n , r ü c k v e r b i n d e n d e n i n d i e durch

die

ganzheitlichen

Kategorien

bestimmte

A u s g l i e d e r u n g s o r d n u n g

d e s D e n k e n s e i n .

/

D.

Die U m k e h r u n g d e s S y l l o g i s m u s :

D e r S c h l u ß - S a t z a l s A n f a n g s s a t z , d i e V o r d e r -

s ä t z e a l s F o l g e s ä t z e

Hält man an der Begriffsbestimmung des Schlußsatzes als eines

Urteils höherer Ordnung fest, dann ergibt sich sozusagen eine Um-

kehrung seines Verhältnisses zu den Vordersätzen, welche vom

Standpunkte der überkommenen Lehre als Paradoxon empfunden

werden muß.

Ein Schlußsatz, z. B. „Sokrates ist sterblich“, ist nämlich nicht

einem beliebigen ähnlichen Satze, z. B. „Diese Rose blüht“, „Rosen

1

Kuno Fischer: System der Logik, Heidelberg 1909, S. 409.

2

Kuno Fischer: System der Logik, Heidelberg 1909, S. 409.