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XX. Die verbundenen Schlüsse (Ketten)
Die mehrgliederigen Vordersätze führen von selbst zu jenen
Gebilden hinüber, die aus mehreren Schlüssen bestehen. Die wirk-
liche Forschung bewegt sich weniger in einzelnen Schlüssen als viel-
mehr in Fortschreitungen, Abfolgen derselben. Man nennt sie zusam-
mengesetzte, richtiger wären sie verbundene oder fortschreitende
Schlüsse zu nennen. In ihnen sind die jeweilig späteren Schlüsse wie-
der Folge der früheren, das heißt der erste Schluß wird zu einer
Prämisse des zweiten usw. So entsteht die S c h l u ß k e t t e (Syl-
logismus concatenatus, Polysyllogismus). Derjenige Schluß (Syllo-
gismus), der in seiner Stellung früher ist, heißt Vorschluß (Pro-
syllogismus), der spätere Nachschluß (Episyllogismus). Beispiel einer
Schlußkette:
Sokrates ist ein Mensch.
Alle Menschen sind endlich.
Sokrates ist endlich.
Alle endlichen Wesen sind sinnlich.
Alle sinnlichen Wesen streben nach Glückseligkeit.
Also strebt Sokrates nach Glückseligkeit.
Derselbe Schluß unter Weglassung aller dazwischen liegenden
Schlußsätze außer dem letzten heißt K e t t e n s c h l u ß oder So-
rites. Der Kettenschluß ist also nur eine verkürzte Schlußkette.
Wie verkürzte Schlußketten gibt es auch verkürzte Schlüsse, sie
heißen E n t h y m e m e (ένθυμήματα, von / έν θυμω), in Gedan-
ken). Bei ihnen wird eine Prämisse weggelassen, übersprungen, z. B.:
Er ist ein Verbrecher; also muß er bestraft werden (zu ergänzen:
Verbrecher müssen bestraft werden).
Nimmt man an, daß die unmittelbaren Schlüsse nur dadurch ent-
stehen, daß wir die fortgelassene Prämisse stillschweigend hinzuden-
ken, dann wäre das Enthymem den unmittelbaren Schlüssen zuzu-
rechnen.
Kettenschluß und Enthymem stehen der ausübenden Forschung
besonders nahe.
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XXI.
Die Schluß- und Beweisfehler (Trugschlüsse)
Herkömmlicherweise pflegt man in den Lehrbüchern der Logik
Schluß und Beweis zu trennen, indem man den Beweis in der Ver-