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Eines „Gefühls“ bedarf es dabei im genauen Sinne des Wortes
nicht. Das Denken führt in Wahrheit stärkere Kräfte mit sich!
Die E i n g e b u n g d u r c h d r i n g t d e n g a n z e n M e n -
s c h e n und verleiht dem Forscher jene unstillbare Leidenschaft,
jene unbesiegliche Kraft, welche Berge versetzt und den Himmel
auf die Erde herunterholt. Den Unterschied des von der Eingebung
und ihrer Wahrheit beseelten Denkers von den bloß durch „Begeh-
ren“ oder eitle Nachahmung geleiteten stellte Schiller in dem be-
kannten Distichon, das wir oben anführten, der Welt deutlich vor
Augen
1
.
Darum verliert sich der nicht von der Eingebungsgrundlage ge-
leitete Denker immer wieder in nebensächliche Fragestellung und
eine kaum fruchtbare Einteilungssucht, welche das Wesensgemäße
der Ausgliederungserfordernisse nicht festhält — der Schlüssel für
den sonst unverständlichen Kultus der Wissenschaft des Nichtwis-
senswerten, den wir in allen Fächern, nicht zuletzt in der Logik
selbst getrieben sehen. Neben diesen verödenden Fragestellungen
verstehen wir aber auch die geradewegs falschen, welche sich in sach-
widrige Vermutungen und Zusammenhänge verlieren.
Die kostbare Perle der Eingebung wird nicht von allen Forschern
zu jeder Zeit gefunden.
Endlich bestätigt uns das Verständnis des Wesens der Frage auch
wieder in seiner Weise die Einerleiheit von Denken und Sein. Das
Ausgliederungserfordernis des Gegenstandes ist das des Denkens
und umgekehrt. Der kranke Organismus genügt den Erfordernissen
des Lebens nicht. Werden diese Erfordernisse durch Eingebung er-
kannt, so ist dadurch der / Denker zwar weder krank noch gesund,
aber das Wesen des Lebens gewann doch Raum im Denker, war in
ihm wirksam gleichwie im Organismus: im Denker nach der Weise
der Vergegenständlichung, welche eben die Weise des Denkens ist. /
B. L e h r b e g r i f f d e s I r r t u m s
Die Schlußfehler wurden von der formalen Logik von jeher be-
handelt. Die Auflösung sophistischer Trugschlüsse war sogar einer
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Siehe oben S. 36.