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schen Lehrmeinungen, wie sie außer im Materialismus, Empirismus,
Positivismus auch z. B. im Darwinismus, in der „Psychologie ohne
Seele“, der individualistischen Vertragslehre zur Erklärung der Ge-
sellschaft, der mechanistisch-individualistischen Volkswirtschafts-
lehre, der gesellschaftlich-geschichtlichen Umweltlehre und vieles
ähnliches mehr die Welt erfüllen und eine grausige Kette der Ge-
schichte des Irrtums bilden.
Für das Verfahren aller Wissenschaften ergibt sich daraus, wie
schon angedeutet, daß an den Forscher nicht nur als Denker, son-
dern auch als s i t t l i c h e P e r s ö n l i c h k e i t die höchsten
Anforderungen gestellt werden müssen. Das Denken geht seinem
Wesen nach auf Wahrheit. Aber den Wahrheitssinn durch ablen-
kende Willenseinstellungen nicht verwirren zu lassen, dazu gehört
sittliche Kraft.
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Das Denken kreist in sich rein. Denken ist stets nur Denken und
nicht Wollen. Aber der Wille kann das Beweisziel gegen die reine
Analysis des Eingebungsinhaltes verschieben, den Eingebungsinhalt
zu Teilen verblassen lassen, oder andere, um die Oberfläche krei-
sende Eingebungen allein zur Geltung bringen. Wer nach Wissen
verlangt, für den muß der unbeugsame Wahrheitswille alles sein.
Darum muß man vom Schauen zum Wissen kommen, denn das
Schauen an sich kennt keine Willenstrübung. Hier muß der Wille
schweigen.
Diesen Wahrheitswillen gleichsam nur abstrakt zu fassen, genügt
nicht! Er kann nicht ins Uferlose steuern, denn auch die gewissen-
hafte Treue gegenüber den Tatsachen, die seine Stütze bildet, reicht
nicht überall aus, insofern ja die Tatsachen selbst erst gedeutet oder
erst an Hand eines Lehrbegriffes auf g e s u c h t werden müssen.
Der letzte und zuverlässigste Wegweiser für den Wahrheitswillen
und Wahrheitssinn des Forschers ist und bleibt die Eingebung! Die
treu aufgefaßte, stets auch treu festzuhaltende Eingebung, sie al-
l e i n i s t d e r S t e r n d e r W a h r h e i t , sie allein leitet über
alle Abwege und Klippen hinweg als ein ständiges und untrügliches
Ziel!
Der Irrtum als zusammenhängender Lehrbegriff beruht, wie sich zeigte, nicht
auf einzelnen Denkfehlern, einzelnen F e h l l e i s t u n g e n d e s D e n k e n s !
Denn solche, wie sie außer in Schlußfehlern auch im Verwechseln, Versprechen
und ähnlichem vorliegen, bestehen nur im Nicht-Festhalten des Selbigen im Laufe
der Denkverkettungen, also in einem Verstoße gegen den Grundsatz der Einerlei-