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heit. Denn wozu soll man sich (praktischerweise) noch mit Beweisen
aufhalten, wo etwas unmittelbar gewiß ist?
Anders steht es aber mit der Behauptung, daß / Axiome, weil sie
unmittelbar gewiß und letzte Sätze seien, a u c h k e i n e s B e -
w e i s e s f ä h i g w ä r e n !
Diese Behauptung ist falsch. Sie kann zunächst unmöglich für
Sätze einer besonderen Wissenschaft gelten, da diese ja stets auf den
allgemeinsten l o g i s c h e n G r u n d s ä t z e n (Einerleiheit, Wi-
derspruch usw.) b e r u h e n , mittels deren ihre Denkfortschreitun-
gen als r i c h t i g e geführt werden. Die Axiome der Fachwissen-
schaften sind also keineswegs ein Letztes, das auf nichts zurückge-
führt werden könne; vielmehr sind die logischen Grundsätze stets
das Allgemeinere, Einfachere, das ihnen zugrunde liegt.
Wie steht es nun mit den l o g i s c h e n G r u n d s ä t z e n ?
Sind sie, die unmittelbar einleuchten, daher eines Beweises nicht
bedürfen, auch k e i n e s B e w e i s e s f ä h i g ?
Das müssen wir verneinen. Sie sind, je für s i c h genommen,
kein Letztes, e i n e s B e w e i s e s f ä h i g ! Denn das Logische
liegt nicht schon im unmittelbaren Einleuchten selbst — auch
„Schönheit“ leuchtet ja unmittelbar ein —, vielmehr in der richti-
gen Begriffsgliederung, in der richtigen Gliedhaftigkeit der Begriffe
und Begriffselemente.
Was aber gliedhaft ist, besteht in keiner Weise und niemals für
sich, vereinzelt, sondern im Miteinander, in Gegenseitigkeit. Neh-
men wir als Beispiel den logischen Grundsatz der Einerleiheit. Den-
ken ist Selbstsetzen und Selbstentgegensetzen, Vergegenständli-
chung. In der Fortschreitung des Setzens und Entgegensetzens aber
d a s s e l b e als es selbst festzuhalten, das ist die Einerleiheit (Iden-
tität). Die Dasselbigkeit ist aber eine Erscheinung, die nur in der
Entgegensetzung auftreten kann (denn ohne diese wäre ja kein Ge-
genstand). Entgegensetzung ist aber: Unterscheidung, ja Wider-
spruch (so daß Fichte, Schelling, Hegel sogar das / Verneinende,
Non-A, dabei fast ausschließlich hervorheben konnten). Das D a s -
s e l b i g e wird also im U n t e r s c h i e d e n e n , E n t g e g e n -
g e s e t z t e n festgehalten. Das Dasselbige, Sichselbstgleiche, Einer-
leie kann ohne Unterscheidung, Entgegensetzung; das Entgegenge-
setzte, Unterschiedene ohne Einerleiheit, Selbgleichheit nicht beste-
hen. So ist Entgegensetzung, Widerspruch ohne Selbgleichheit nicht