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lichste Aufgabe des Denkens! Die Eingebung, die sich dem Geiste

darbietet, anzunehmen, sie getreu aufzufassen, zum Begriffe zu ent-

falten, im Gesamtzusammenhange der schon erworbenen Begriffe

zu verarbeiten — das ist die große und schwierige Aufgabe des Den-

kens.

Die Eingebung ist immer wahr, aber ihre Auffassung und ihre

Entfaltung zum Begriffe, ihre gesamte Verarbeitung ist nicht immer

getreu, und das trübt ihre Wahrheit. Ist die Eingebung getreulich

aufgefaßt und nach den Grundweisen der Einerleiheit, des Wider-

spruches und der Mitgedachtheit richtig zum Begriffe entfaltet,

dann ist der Begriff absolut und unbedingt wahr, und dann ist auch

die Übereinstimmung mit dem Gegenstande gesichert. Diese ist ein

Abgeleitetes und stellt sich von selber ein.

So betrachtet, erkennt man, daß die Wahrheit auch nicht allein

das Ergebnis einer formellen Gesetzlichkeit, das heißt des richtigen

Denkens sei; vielmehr ist sie zugleich eine p e r s ö n l i c h e u n d

s i t t l i c h e T a t des Menschen! Darum steht der große Denker

und Künstler als der getreue Verwalter seines Pfundes, eine „Mario-

nette Gottes“, auf der einen, das verlotterte Genie, welches seine

Eingebungen nicht sucht noch getreu verarbeitet, auf der anderen

Seite.

Das geistige Werk des Genius ist nur bei persönlicher Größe

möglich. Darum ist der große Genius / von Natur Gottesstreiter,

der verwahrloste ein Diener Ahrimans.

Wie wunderbar ist doch die geistige Welt eingerichtet! Nur der

der Wahrheit Würdige kann sie erringen — als, wie Plutarch sagte,

„ein den Göttern selber teures Gut“. Da die Eingebung eine Kunde

aus der übersinnlichen Ebene ist, sagt man mit Recht: Die Wahrheit

wohnt bei Gott und ist nur dem Würdigen zugänglich.

/

B.

E i n h e i t u n d U n t e r s c h i e d e d e r V e r f a h r e n

Die Verfahren aller Wissenschaften bilden insofern eine E i n -

h e i t , als überall dieselben Denktätigkeiten angewendet werden;

insofern aber sind sie v e r s c h i e d e n , als ihr Gegenstand ent-

weder von echt ganzheitlichem Gepräge ist oder ein voller ganz-

heitlicher Zusammenhang darin nicht mehr unmittelbar erkennbar

ist. In diesem letzteren Falle wird von der Forschung völlige Ganz-