[371/372/373]
263
duktion Schuld, welche die Induktion fälschlich als einen „Schluß
vom Besonderen auf das Besondere“ erklärt. Einen solchen Schluß
gibt es nicht. Auch der Induktionsschluß muß auf ein Allgemeines
gehen, er muß das Besondere in das Allgemeine e i n g l i e d e r n ,
sei es, daß dieses Allgemeine schon bekannt ist, sei es, daß es erst
gefunden werden muß (durch eine neue Eingebung). Wenn Newton
sagen konnte: „Der freie Fall ist ein Sonderfall der allgemeinen
Schwerkraft“, so war das ein eingliederndes, rückverbindendes Ur-
teil, dessen Allgemeines („Schwerkraft“) entweder schon bekannt
war oder / durch eine neue Eingebung erst gefunden werden mußte.
Die Eingliederung muß sich dann, wenn einmal erfolgt, durch „An-
wendung“, das ist Deduktion, erst bewähren.
Daraus, sowie aus allem früher Gesagten geht hervor, daß in jeder
wirklichen Forschungstätigkeit, jeder Wissenschaft notwendig
b e i d e Denktätigkeiten, beide Verfahren, die aufsteigenden und
die absteigenden, die analytisch und die „synthetisch“ genannten,
am Werke sind!
Allerdings ist je nach dem Gegenstand der Forschung ein gewisser,
praktischer Unterschied zuzugeben: Dort, wo der Gegenstand in
seinem inneren Sinngehalte, seiner Ganzheit durchschaut werden
kann, wird die Eingebung überall die Führung haben, und das sie
zergliedernde Verfahren, nämlich das hinabsteigende, analytische
vorwalten; dort dagegen, wo der Gegenstand der Durchschauung
seines inneren Zusammenhanges meistens widersteht, wird das vor-
bereitende, aufsteigende, eingliedernde vorwalten. In den G e i -
s t e s w i s s e n s c h a f t e n ist daher das absteigende, in den Na-
t u r w i s s e n s c h a f t e n das aufsteigende Verfahren vorherr-
schend. In k e i n e r W i s s e n s c h a f t a b e r k a n n e i n e s
d e r V e r f a h r e n g a n z e n t b e h r t w e r d e n .
/
2.
Die Verfahren nach dem Unterschiede ihres Gegenstandes oder
dem Gepräge der Begriffe der Wissenschaften:
Ganzheitlich, ganzheitlich ferner Ordnung, geschichtlich
Unsere Feststellung, daß je nach dem Gegenstande der Wissen-
schaft das deduktive oder induktive Verfahren vorherrsche, führt
schon auf unsere jetzige Frage hinüber, inwiefern der Gegenstand
das Gepräge, Gefüge der Begriffe, durch welche der Gegenstand
erkannt wird, bestimme.