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und Temperatur nur als Ganzes veränderlich sind. Ebenso kann
auch nicht eine einzelne Masse oder Beschleunigung geändert wer-
den, ohne alle anderen Massen und Beschleunigungen in Mitleiden-
schaft zu ziehen und so fort. Das ceteris / paribus ist also zuletzt
nur eine Unterstellung. Auch von diesem Gesichtspunkte aus erweist
sich der naturwissenschaftlich-mathematische Gesetzesbegriff als ein
Grenzfall der ganzheitlichen Begriffsbildung. Die Gesetze der Phy-
sik sind das Ärmste, was die Begriffsbildung eben noch leisten
kann.
Darum vermag diese Begriffsbildung auch das vernehmlichste
Zeichen einer mittelbaren Ganzheit in der anorganischen Natur, die
G e s t a l t , nicht zu deuten. Die mathematischen Gesetzesbegriffe
vermögen eine Grundtatsache, welche die gesamte stoffliche Natur
durchzieht, die Gestalt, überhaupt nicht zu berühren! Die Natur ist
die V e r r ä u m l i c h u n g vorräumlicher, überräumlicher Wesen.
Diese Verräumlichung geschieht aber nicht schlechthin homogen,
wie der euklidische Raum uns nahelegte, vielmehr stets mit Begren-
zung, Gestalt, das ist auf Grund einer bestimmten Rückbezüglich-
keit des sich verräumlichenden Dinges! Auch in diesem Punkte er-
weist sich also die Begriffsbildung der mathematischen Physik als ein
G r e n z f a l l , d e r a u f e i n e r U n t e r s t e l l u n g b e r u h t ,
auf der Unterstellung der Gestaltlosigkeit der Natur! Elektromag-
netismus, Wärme, mechanische Bewegungen usw. sind freilich als
abstrakte T e i l i n h a l t e genommen nicht in bestimmter Weise
gestaltet, aber der Elektromagnetismus, die Wärme, die mechanische
Bewegung jedes bestimmten D i n g e s teilt die Gestalt dieses Din-
ges! Nur unterstellterweise vermag also der naturwissenschaftliche
Gesetzesbegriff die Naturvorgänge als gestaltlos zu behandeln (eben-
so wie als ceteris paribus in den Teilen veränderlich).
In jeder Hinsicht erweisen sich also die mathematischen Gesetze
der Physik als Grenzfall des Allgemeinbegriffes abstrakter Teil-
inhalte.
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Überall dagegen, wo die Naturwissenschaft zum Dingbegriffe
übergeht, wie in der Chemie, sofern sie die Eigenschaften der ein-
zelnen Chemismen darstellt, in der Mineralogie, sofern sie die Mi-
neralien und ihre Kristallgestalt behandelt, nähert sie sich dem-
jenigen Allgemeinbegriffe, welcher die Erscheinung der Stufe dar-
stellt — wobei sie es aus Mangel an Einsicht in den Ganzheitszu-