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sô muoz si ûf kein dinc sehen . . . Als daz ouge die varwe sol erkennen, sô muoz

ez vor von aller varwe gescheiden sin. Sol diu sêle got erkennen, sô muoz si mit

dem nihte kein gemeine hân.“

1

III. Der Einwand gegen die Mystik

Eckehart gedenkt auch eines E i n w a n d e s gegen seine Lehre

von der Gottesgeburt in der Seele wie schließlich gegen jede my-

stische Lehre. In seiner Antwort weist er auf den Begriff des Fünk-

leins zurück:

„Nû möhtestû sprechen: eyâ, herre, ir wellent der seien iren nâtiurlîchen louf

umbe kêren! Ir nîtûre ist, daz si durch die sinne neme und in bilden. . . Nein!

waz w e i s û , w a z a d e l s g o t h a b e g e l e i t i n d i e n â t û r e , diu

noch niht alle geschriben sint, mêr: noch verborgen?“

2

Man kann diese Antwort nicht genug würdigen, denn sie sagt in

einem Satze das einzig Wesentliche! Sie nimmt auch die Einwände

der Neuzeit vorweg, welche in der Mystik nur leere Einbildungen

oder nur Krankhaftes sehen will. Sie verweist darauf, daß die Geg-

ner nicht wie der Blinde von der Farbe reden sollen. Eckehart ver-

langt an anderer Stelle ein „W a h r n e h m e n d e r I n w e n d i g -

k e i t d e s M e n s c h e n “

3

.

IV. Pantheismus, Unsterblichkeit

Ohne jede Berechtigung schrieb man dem Meister in neuerer Zeit

vielfach „Pantheismus“ zu, jene Ansicht, nach der Gott in der Welt

aufginge, Gott daher die Welt ebenso wie die Welt Gott wäre. Dazu

gehört vor allem auch, daß die Seele in der unio mystica in Gott

aufgehe, gleichwie der Tropfen im Meere aufgeht. Ein solches Auf-

gehen, eine Vernichtung ihres Wesens findet aber nach Eckeharts

1

Pf. 222, 26: Soll die Seele Gott erkennen, so muß sie ihn erkennen jenseits

von Zeit und Raum; denn Gott ist weder dies noch das, .. . denn Gott ist Eines.

Soll die Seele Gott sehen, so darf sie auf kein (zeitlich) Ding sehen. . . . Wenn das

Auge die Farbe erkennen soll, so muß es vorher aller Farbe entblößt sein. Soll die

Seele Gott erkennen, so darf sie mit dem Nichts nichts gemein haben.

2

Pf. 9, 23: Nun könntest du sagen: Ei nun, Herr, ihr wollt der Seele ihren

natürlichen Lauf umkehren! Ihre Natur ist es doch, durch die Sinne aufzunehmen

und in Bildern! .. . Nein! Was w e i ß t (denn) du, w e l c h e n A d e l G o t t

i n d i e N a t u r g e l e g t h a t , der noch nicht voll beschrieben, sondern noch

verborgen ist?

3

Etwa Pf. 221, 33.