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sonst finden sich nicht wenige Äußerungen über individuelle Un-

sterblichkeit. Von der Gottesgeburt im besonderen heißt es:

Die Kreatur „wolte sinken in der drîer einekeite sunder wesenlîche under-

scheidenheit. . . und verlieren crêatûren eigenheit, . . . Wan beschêhe diu einekeit,

si verliure kennen, minnen unde niezen, daz dâ ist crêatûre vollekomenheit. .. .

Wan vervlüzze sî in got oder got in si, dâ bîibe der schade in ir durch die un-

begrifeliche wîte sîner Wesenheit und durch das kleine irre geschaffenheit.“

1

(In der Gottesgeburt) „diu sêle götlich wirt unde got niht diu sêle. Da

verliuset diu sêle irn namen und ir kraft und ir werc und niht ir sîn. Da belîbet

diu sêle an gote, als got an im selber belibet.“

2

Auch im Verhältnisse von Seele und Leib und in der Scheidung

beider durch den Tod finden wir bei Eckehart dieselben Gedanken:

„Als diu sêle von dem lîbe scheidet, so ist der lîp tôt unde diu sêle lebet an

ir selber.“

3

„ze swelher stunde si (die Seele) scheidet von dem lîbe, in dem selben puncte

wirt ir geoffent daz êwige leben und in der offenunge wirt si umbevangen mit

eime götlîchen lichte und in dem bevencnisse des gütlichen liehtes wirt si ge-

zogen unde gebildet in got.“

4

IV. Übungen

Kannte Meister Eckehart verfahrensmäßig geordnete Übungen,

welche zur mystischen Einigung führen sollten? Übungen, wie sie

uns aus den altindischen Upanischaden, im Joga und im Oriente

bekannt sind?

Ich persönlich möchte dies nicht bezweifeln. Zeitgeschichtlich

wären sie gewiß nicht unmöglich. Einmal weil sie in der altgerma-

1

Pf. 662, 20—30: (Die Kreatur) wollte ohne Seinsunterschied in die Drei-

Einigkeit sinken . . . und die geschüpfliche Eigenart verlieren. . . . Wenn diese Ver-

einigung geschähe, verlöre sie (die Seele) die Fähigkeit zu erkennen, zu lieben

und (dieses Lebens) zu genießen, was doch der Kreatur Höchstes ist. . .. Da flösse

sie in Gott oder Gott in sie, es bliebe (dennoch) die Sünde in ihr infolge der

unbegreiflichen Weite seines (Gottes) Seins und der Enge ihrer Geschöpflichkeit.

2

Pf. 314, 22: (In der Gottesgeburt) wird die Seele göttlich, Gott aber nicht

zur Seele. Da verliert die Seele ihren Namen und ihre Kraft und ihr Wirken,

nicht aber ihr Sein. Da bleibt die Seele in Gott, wie Gott in sich selbst bleibt.

3

Pf. 256, 28: Wenn die Seele von dem Leibe scheidet, so ist der Leib tot und

die Seele lebt für sich selber.

4

Pf. 386, 30: Zur Stunde, da sie (die Seele) vom Leibe scheidet, da wird ihr

das ewige Leben eröffnet; in der Eröffnung wird sie umfangen von göttlichem

Lichte und in dieser Umfangung durch das göttliche Licht wird sie aufgezogen

und Gott eingebildet.