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wiederholten Äußerungen nicht statt, und, was noch mehr ist, allen
Lehrbegriffen Eckeharts zufolge k a n n es gar nicht stattfinden. Das
Fünklein als das Mitgeschaffene, Sohnesgleiche — könnte es je wie-
der untergehen? Auch der Gottes- und Schöpfungslehre Eckeharts
widerspräche das.
„Got ist in der sêle mit sîner nâtûre, mit sîme wesenne unde mit sîner got-
heit und er enist doch niht diu sele.“
1
Der Zusammenhang, in welchem Eckehart diesen wichtigen Ge-
danken begründet, ist folgender:
„Ich nime ein beckin mit wazzer unde lege dar în einen Spiegel unde setze ez
under daz rat der sunnen, so wirfet diu sunne ûz irn liehten schîn ûzer dem
rade und ûzer dem bodem der sunnen unde vergêt doch niht. Daz widerspilen
des Spiegels in der sunnen daz ist in der sunnen, sunne. Und er ist d o c h
d a z e r i s t . Also ist ez umbe got. Got ist in der sêle mit sîner nâtûre, mit
sîme wesenne unde mit sîner gotheit und er enist doch niht diu sêle. Daz wider-
spilen der sêle daz ist in gote, g o t . U n d e s i i s t d o c h d a z s i i s t.“
2
Viele solche Stellen ließen sich aus Eckeharts Schriften anführen.
Doch ist das überflüssig, da, wie gesagt, es schon in seinen Lehr-
begriffen liegt, daß die Seele wohl eins mit Gott werden, aber nie
ihre Selbstheit aufgeben könne.
In dieser Selbstbewahrung der Seele liegt wesensgemäß ihre
U n s t e r b l i c h k e i t eingeschlossen:
„da was ich selber, dâ wolte ich mich selber unde bekante mich selber ze
machenne disen menschen, und hier umbe sô bin ich min selbes Sache nach
mînem wesen, daz êwic ist, unde nach mînem wesen, daz zîtlich ist. Und hier
umbe sô bin ich geborn unde nach mîner gebürte wîse, diu êwic ist, so enmac
ich niemer ersterben.“
3
Das sind gewichtige Worte, welche die Unsterblichkeit nicht nur
kasuistisch, sondern aus den Lehrbegriffen heraus begründen. Auch
1
Pf. 180, 39: Gott ist in der Seele mit seiner Natur, mit seinem Wesen und
mit seiner Gottheit, und doch ist er nicht die Seele.
2
Pf. 180, 34: Ich nehme ein Becken mit Wasser und lege einen Spiegel hinein
und setze es unter das Rad der Sonne; dann wirft die Sonne ihren lichten Glanz
aus der Scheibe und aus dem Grunde der Sonne aus und vergeht darum doch
nicht. Das Rückstrahlen des Spiegels in der Sonne ist in der Sonne (selbst) Sonne,
und d o c h i s t e r (der Spiegel) d a s , w a s e r i s t . So ist es auch mit Gott.
Gott ist in der Seele mit seiner Natur, mit seinem Wesen und mit seiner Gott-
heit, und doch ist er nicht die Seele. Das Rückstrahlen der Seele, das ist in Gott
G o t t , u n d d o c h i s t s i e d a s , w a s s i e i s t .
3
Pf. 283, 39: (in der Gottheit) da war ich selber, da wollte ich mich selber und
erkannte mich selber, um diesen Menschen hervorzubringen, und darum bin ich,
nach meinem ewigen und nach meinem zeitlichen Wesen, Ursache meiner selbst.
Und darum bin ich (neu) geboren — aber auf eine Weise, die an der Ewigkeit
teil hat, so daß ich nimmer sterben kann.