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Zuletzt möge noch eine wichtige Äußerung Eckeharts über Ge-
sicht und Hörungen, welche er von den seiner Lehre zugrunde lie-
genden mystischen Zuständen streng geschieden wissen will, ange-
führt werden:
„Ouch hinderent sich guote geistliche liute rehter vollekomenheit, .. . daz sie
sich zu vil lâzent an Visiônen, daz sie sehent bildekliche diu dinc in irme geiste,
. . . und geloubent sie der ansprâche,... ob sie hoerent daz sie die liebsten sin,
oder eines anderen gebresten oder tugenden, oder sie hoerent, daz got dur sie
iht tuon wil. Dâ werdent sie dicke an betrogen, wan got der entuot dur enkeine
crêatûre nihtes niht, wan alleine dur sine lûterlichen güete, ..
Im ähnlichen Sinne äußert sich Eckehart öfters.
V.
Das Ichhafte und das Gegenständliche in Eckeharts Mystik
Das Subjektive und das Objektive oder, wie wir zu deutsch ge-
nauer sagen, das Ichhafte und das Gegenständliche, noch genauer
bestimmt das Über-Ichhafte, finden wir in Eckeharts Mystik und
Religionsphilosophie in einer Weise ausgeglichen wie kaum in an-
deren Lehrgebäuden. Während wir bei Schleiermacher und dem
frühen Fichte den ichhaften, subjektiven Bestandteil ihrer Mystik
und Religionsphilosophie vorwalten sehen, wodurch etwas Un-
sicheres in die Lehre kommt, sehen wir in der Spätlehre Schellings
und bei Hegel das Gegenständliche, Objektive, Gott, die durchaus
vorherrschende Rolle spielen.
Bei Eckehart müssen wir das Fünklein zum Ich rechnen, die
Gottesgeburt dagegen als einen gegenständlichen, objektiven, über-
ichhaften Vorgang betrachten, insoferne ja Gott es ist, der in der
Seele geboren wird. Dennoch ist auch das Fünklein nicht rein ich-
haft, denn es wird ja als Organ Gottes bestimmt. Andererseits muß
auch die Gottesgeburt vom Ich e r l e b t werden; sie ist also zu-
gleich ein ichhafter, subjektiver Vorgang. Rein begrifflich betrachtet,
finden wir demnach bei Eckehart einen Ausgleich des ichhaften und
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Pf. 240, 19: Auch hindern sich (sonst) gute geistliche Leute an rechter Voll-
kommenheit (dadurch), . .. daß sie sich Visionen zu viel überlassen, daß sie die
(überirdischen) Dinge bildhaft in ihrem Geiste erblicken . .. und sie glauben dei
Stimme (von oben), wenn sie hören, daß sie (Gott) die Liebsten sind, oder eines
anderen Mangel oder Tugend, oder wenn sie hören, daß Gott durch sie etwas
verrichten will. Da betrügen sie sich selber in hohem Maße, denn Gott wirkt
durch überhaupt keine Kreatur, sondern alleine durch seine Güte.