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des überichhaften, des subjektiven und des objektiven Bestandteils,
wie er in der Mystik und Religionsphilosophie selten erreicht ist.
VI.
Ergebnis
Versuchen wir, das Wesentliche über die mystische Einung zu-
sammenzufassen, so ergibt sich eine bestimmte Lehre, welche sich
in den übrigen Begriffszusammenhang der Philosophie Meister
Eckeharts genau einfügt, aber auch den Unterschied von anderen
Mystikern erkennen läßt. Vor allem ergibt sich, daß und inwieferne
ein Unterschied zwischen dem mystischen Erlebnisse und seiner be-
grifflichen Deutung gemacht werden müsse. Erst indem man die
begrifflichen Deutungen vom Erlebnisse trennt, können die Begriffe
reinlich geschieden und in ihren Zusammenhängen erkannt werden.
Wir heben hervor:
(1)
Zum Unterschiede von anderen Mystikern bestimmt Eckehart
die mystische Einung wesentlich als Tätigkeit Gottes, welcher
Tätigkeit ein Aufnehmen, Empfangen der Seele entspricht: „er
würket, und ich gewirde.“
1
Eckehart bezeichnet dieses Tun
Gottes, indem er dabei einen Gedanken der christlichen Logos-
lehre aufnimmt, als Einsprechen des ewigen Wortes oder auch
als Geburt Gottes in der Seele. Beide Gleichnisse kommen darin
überein, daß sie das Werden des S o h n e s im Seelengrunde ver-
deutlichen.
Aber auch das Empfangen des göttlichen Einflusses ist nicht ohne
jede Tätigkeit der Seele gedacht, denn Eckehart bezeichnet die
Seele dabei wiederholt als „Mitwirkerin“ Gottes
2
.
(2)
Die Geburt geschieht immer, wenn die Seele bereit ist:
„er (Gott) muoz wirken in der sêle“
3
Ja „. . . Gottes Natur, Sein und Leben
besteht darin, daß er sich selbst m i t t e i l e und daß er sich selbst ganz gebe
4
“
(3)
Dabei geht die Seele im Meere der Gottheit nicht unter, son-
dern sie bewahrt ihre Persönlichkeit. Sie ist unsterblich. — Auch
hier unterscheidet sich Eckehart von jener Mystik, welche pan-
theistische und emanatistische Bahnen verfolgt.
1
Pf. 206, 15: Er wirkt, und ich werde.
2
Pf. 161, 29: „so ist si (die Seele) ein mitewürkerin“.
3
Pf. 179, 36: (Gottes Natur, sein Sein und seine Gottheit hängen daran,) daß
er in der Seele wirken muß.
4
B 55.