Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7842 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7842 / 9133 Next Page
Page Background

88

Das will sagen: der Edelstein leuchtet; und ferner, nach den Vor-

stellungen jener Zeit, er wirkt magisch; wie wir ja noch von der

Seherin von Prevorst unter anderen Zeugnisse solcher Art haben.

1

Kurz gesagt heißt das: Je m e h r S a m m l u n g , u m s o m e h r

W i r k u n g n a c h a u ß e n , j e m e h r I n n e r l i c h k e i t ,

u m s o m e h r Ä u ß e r l i c h k e i t . —

Das erläutern wir folgendermaßen: Dieses „Einstehen“ und „Ein-

setzen“ Gottes ist seine Versenkung, Sammlung in sich selbst oder,

anders gesagt, Selbstbetrachtung. Und in dieser Selbstbetrachtung

u n t e r s c h e i d e t sich in Gott der Innewerdende vom Inne-

gewordenen, das Subjekt vom Objekte (das aber ebenfalls sub-

jektiviert, vorpersönlich zu denken ist), der Sprechende vom Worte;

theologisch ausgedrückt, der Vater vom Sohne.

Dies wird nun von einer anderen ganz unerwarteten Seite her

bestätigt — von dem (später noch zu erklärenden) Begriffe der

A b g e s c h i e d e n h e i t her! Dieser, ein Hauptbegriff der Sitten-

lehre des Meisters, wird von ihm selbst erklärt:

„laere sîn aller crêatûre ist gotes vol sîn,.. .“

2

„Disiu unbewegelîchiu abe-

gescheidenheit bringet den menschen in die groeste gelîcheit mit gote.“

3

Abgeschiedenheit, mit einem Worte gesagt, ist innere Selbst-

versunkenheit, Selbstbetrachtung, reines Beisichselbstsein! So gefaßt

verstehen wir Eckehart, wenn er sagt:

„Nû solt dû wizzen, daz got in dirre unbewegenlichen abegescheidenheit ist

êwelten gestanden unde noch stet, unde solt wizzen, dô got himelrîche und

etrîche schuof... Daz g i e n c s i n e u n b e w e g e l î c h e a b e g e s c h e i -

d e n h e i t a l s w ê n i c a n , a l s o b e r n i e c r ê a t û r e g e s c h a f f e n

h ê t e."

4

selbst einsitzt, um so mehr nach außen dar. Ein einfacher Stein, . .. , der be-

kundet nicht mehr, als daß er ein Stein ist. Ein Edelstein aber, der große Kraft

hat, der reckt damit, daß er in sich selbst einsteht, einsitzt, zugleich das Haupt

auf und lugt (über sich) hinaus.

1

Vgl. Justinus Kerner: Die Seherin von Prevorst (auf deren Gemüts- und

Leibeszustand verschiedene Edelsteine verschieden wirkten).

2

Pf. 487, 10: Leer sein aller Kreatürlichkeit ist Gottes voll sein.

3

Pf. 486, 38: Jene unbewegliche Entrücktheit bringt den Menschen in die

größte (mögliche) Gleichheit mit Gott.

4

Pf. 487, 11: Nun sollst du wissen, daß Gott in dieser unbewegten Geschic-

denheit (schon) in vorweltlicher Zeit gestanden hat und noch steht; und du

sollst wissen, daß das Erschaffen des Himmels und der Erde seine unbewegte

Geschiedenheit so wenig berührte, als ob er niemals etwas erschaffen hätte.