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begriflich und ungelouplich. Unde dem ist rehte, unde wêre ez begrîfenlich
unde gelouplich, sô enwêre ime niht rehte.“
1
. . unde sîn gebern daz ist sîn innebliben unde sîn inneblîben ist sin
ûzgebern. Ez blîbet allez daz eine, daz in sich selber quellende ist.“
2
Dieser letzte Satz dünkt uns von besonderer Wichtigkeit: Das
Eine, Göttliche ist „in s i c h s e l b e r q u e l l e n d “ , und zwar
so, daß es in sich bleibt, während es ausgebiert, die a u ß e r g ö t t -
l i c h e W e l t z u g l e i c h a l s i n n e r e i n s i c h b e h ä l t .
Diesen Sinn des Schöpfungs- und Weltbegriffes Eckeharts soll man
nie vergessen! Das Innebleibende ist in geistiger Einheit. Daher sagt
Eckehart immer wieder, Gott spreche, um die Seele und die Welt
zu schaffen, nur ein Wort:
„Je vollkommener und erhabener ein Verstand ist, umso allgemeinere und an
Zahl geringere Bilder hat er, nämlich weniger geteilte. Also darf in dem obersten
und erstem Verstande, der Gott ist, nur ein einziges Wort sein. . .“
3
.
Der Begriff des Innebleibens ist es, welcher es Eckehart ermög-
licht, das Vorhandensein einer nur außergöttlichen Welt zu leug-
nen. Eine Außergöttlichkeit des Geschaffenen im eigentlichen Sinne
gibt es nicht. Ausdrücklich sagt er in einer lateinischen Predigt:
„Außer Gott ist nichts, wie auch außerhalb des Seins nicht etwas sein kann“
4
.
„Die Laien (idiotae) bilden sich zweierlei ein: erstens daß Gott die Welt außer
sich. . . schuf; zweitens, daß er schuf und dann vom Schaffen ausruhte, nach
der Weise anderer Künstler.“ [Beides ist falsch!] Man darf sich nicht einbilden,
Gott habe Himmel und Erde außer sich und gleichsam neben sich in einem
Nichts geschaffen. Denn alles, was im Nichts geschieht, wird sicherlich nichts . . .
Bei der Erschaffung der Welt stößt also Gott nicht das Sein der Dinge in das
Nichts hinaus oder gießt es dorthin aus, sondern umgekehrt ruft er durch sein
Schaffen alles aus dem Nichts und von dem Nichts zum Sein
5
.
Es ist ein unabweisbarer Gegeneinwand Eckeharts, daß alles,
was außer Gott wäre, im Nichts sein müßte, dort, wo ja eben
1
Pf. 206, 28: Es ist eine wunderbare Sache, daß etwas ausfließt und doch
innen bleibt. . . . Das was Gott gegeben und gelobt hat zu geben, das ist un-
begreiflich und unglaublich. Und das ist recht; denn wäre es begreiflich und
glaublich, so wäre es ihm nicht recht.
2
Pf. 261, 27: Und sein Gebären ist (zugleich) sein Innebleiben, und sein
Innebleiben ist sein Ausgebären (Schaffen nach außen). Es bleibt immer das Eine,
das in sich selber quillt.
3
Meister Eckhart: Die Lateinischen Werke, Dritter Band, Expositio sancti
Evangelii secundum Johannem, herausgegeben von Josef Koch, Stuttgart 1937,
S. 162.
Vgl. auch Philipp Strauch: Paradisus anime intelligentis, in: Deutsche Texte
des Mittelalters, Bd XXX, Berlin 1919, Predigt 7, S. 383.
4
B 207.
5
B 208.