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nichts ist. Die Welt ist also in Gott. Andererseits ist ein W i d e r -
s p r u c h z w i s c h e n d e m r e i n i n n e r g ö t t l i c h
e
n
S e i n und der Welt. Es scheint mir ein unaufgelöster Rest, den
Eckehart, soweit ich sehen konnte, nicht aufhellte. (Erst der ganz-
heitliche Begriff der Befaßtheit oder R ü c k V e r b u n d e n h e i t
vermag meines Erachtens den Unterschied völlig verständlich zu
machen und zu begründen, denn hier ist Ausgliederung und Rück-
verbundenheit oder Befaßtbleiben, Innebleiben wesensgemäß eine
Einheit
1
!
Aus dem Begriffe des Innebleibens ist auch Eckeharts Lehre, daß
Gottes Wirken ein U n m i t t e l b a r e s sei, erst voll verständlich.
In einer lateinischen Predigt sagt er von Gott:
„Er wirkt ja nicht auf etwas außerhalb seiner selbst, da außerhalb seiner
nichts ist.“
2
Und vorher heißt es:
„Wie sollte er auch auf etwas Entferntes wirken, da es kein Entferntes gibt?“
3
Ebenso ist aus dem Begriffe des Innebleibens folgender, bei Ecke-
hart öfters wiederkehrender Gedanke verständlich:
„Ehe alle Kreaturen geschaffen wurden, da waren alle Kreaturen in Gotte
Gott.“
4
Denn, wie es bei Pfeiffer heißt:
„. . . allez daz in got ist daz ist got.“
5
Über die Frage, wie die innergöttliche Schöpfung und die außer-
göttliche Welt miteinander verbunden seien, äußert sich Meister
Eckehart nur selten. Die deutlichste Äußerung, die ich fand und
die ich zugleich zur Stütze eines schon früher angeführten Gedan-
kens hier nochmals anführe, ist die folgende:
„Ich spriche, got. . . bekennet niht denne sich alleine. Got k u n d e s i c h
n i e m e r b e k e n n e n , e r e n b e k a n d e d a n a l l e c r ê a t û r e . Got
gebirt sich alzemâle in sîxnem sune, er sprichet alliu dinc in im.“
6
1
Vgl. mein Buch: Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939 [3. Aufl., Graz 1969],
2
B 60.
3
B 60.
4
Philipp Strauch: Paradisus anime intelligentis, in: Deutsche Texte des Mittel-
alters, Bd XXX, Berlin 1919, Predigt 7, S. 384,20.
5
Pf. 253, 1: Alles, was in Gott ist, ist Gott.
6
Pf. 254, 15: Ich sage: G o t t . . . erkennt nur sich alleine. Gott könnte sich
niemals erkennen, erkennte er nicht alle (seine) Geschöpfe. Gott gebiert sich
vollkommen in seinem Sohn; er spricht alle Dinge in seinem Sohn.