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„Swenne daz wort (der Gottessohn) sprichet in die sêle und diu sêle wider-

sprichet in dem lebenden Worte, dâ wirt der sun lebende in der sele“

1

,

wird die Seele also zum „glichen“ Gottes.

In einer anderen deutschen Predigt bezeichnet er den Unterschied

von Seele und Kreatur genauer:

„Do got alle crêatûren geschuof, dô wâren sie so snoede unde sô enge, daz er

sich niht drinne bewegen mohte. Doch machte er ime die sêle so glîch und so

ebenmêzic, dur daz er sich der sêle gegeben möhte; wan swaz er ir anders geben

möhte, des enahtet si niht.“

2

Das sind Worte, in das Buch der Weisheit mit goldenen Lettern

zu schreiben. Heute betrachtet man das als überschwenglich, als

dichterische Einbildung. Aber dem Meister war es völlig ernst da-

mit. Und in Wahrheit ist das sichere Bewußtsein der göttlichen

Ebenbildlichkeit des Menschen die Voraussetzung jeder höheren

Philosophie, jeder höheren Religiosität, jeder höheren Kunst und

jeder wahren Kultur überhaupt.

Schon zu Eckeharts Zeiten war durch den aufkommenden Nomi-

nalismus das Bewußtsein der Göttlichkeit der Seele im Schwinden.

Eckehart sagt darüber:

„Viele gelehrte Leute mögen nicht leiden, daß man die Seele so nahe ins

göttliche Wesen setze und ihr so viel göttliche Gleichheit zueigne. Das ist davon,

daß sie den Adel der Seele aufs allerhöchste nicht erkennen; denn erkennten

sie den Adel der Seele aufs allerhöchste, dann wüßten sie nicht an etlichen

Punkten, wo sie Unterschied sollten finden zwischen ihr und Gott.“

3

Noch in vielen anderen herrlichen Aussprüchen preist Eckehart

die göttliche Größe der Seele. Wir führen zum Schlusse noch zwei an:

„In allen crêatûren ist etwaz gotes, aber in der sêle ist got götlich, wan si ist

sîn ruowestat.“

4

Und in einer lateinischen Predigt:

„Gott als Gott ist und schmeckt und findet sich nur in der geistigen Natur.“

5

1

Q I 305, 3: Wenn das Wort in die Seele spricht und die Seele antwortet in

dem lebendigen Worte, dann wird der Sohn lebendig in der Seele.

2

Pf. 136, 34: Als Gott alle Kreaturen erschaffen hatte, waren sie so gering-

wertig und so eng, daß er sich in ihnen nicht regen konnte (das heißt die Geburt

nicht vollziehen konnte, da sie nicht ins Bewußtsein erhoben wurde). Die Seele

jedoch machte er sich so gleich und so ebenbildlich, auf daß er sich der Seele

geben könne (die Geburt zu vollziehen, die innere Gotteserfahrung zu bewirken

vermag); denn was er ihr sonst gäbe (das Äußere, alles was nicht Gott selbst

ist), das achtete sie für nichts.

3

Baseler Druck von 1521, fol. 278, angeführt bei Hans Martensen: Meister

Eckhart, Hamburg 1842, S. 28.

4

Pf. 230, 36: In allen Kreaturen ist etwas von Gott, (erst) in der Seele aber

ist Gott göttlich, denn sie ist seine Ruhestatt.

5

B 144.