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kommt noch ein anderer, neuer Gedanke hinzu! Er ist in den oben

von uns hervorgehobenen Worten „bilde ich da nicht“ angedeutet.

Denn das heißt nicht weniger als: nur wenn ich im Schoße der

Gottheit nicht mehr b i l d e , bleibe ich in der vollkommenen Ein-

heit mit dem göttlichen Grunde. „Bilde“ kann aber hier nicht we-

niger bedeuten als eine E i g e n t ä t i g k e i t entfalten; möge sie

auch nur im Entwerfen innerer Bilder bestehen, sie schließen doch

— so können wir erläutern — eine Selbstunterscheidung von Gott,

eine relative Verselbständigung innerhalb Gottes, in sich. Daraus

folgt für die Schöpfungslehre: Ohne E i g e n t ä t i g k e i t u n d

E i g e n w i l l e n z u s i c h s e l b s t wird die Kreatur, im beson-

deren die Seele, nicht (außergöttlich) geschaffen!

Dies beweisen wir näher durch eine Stelle aus der die 56. Predigt

ergänzenden 87. Predigt (bei Pfeiffer):

„... ich hân ez ofte gesprochen, ... , daz der mensche alsô ledic sol sîn aller

dinge und aller werke, ... also daz er möhte sîn ein eigen stat gotes, da got

inne möhte würken. Nû s a g e n w i r a n d e r s . I s t . . . , daz got stat vinde

in ime ze würkenne, . . . . , sô ist der mensche niht arm in der nêhsten armuot,

wan got der ist daz niht meinende, ... daz der mensche habe eine stat in ime,

da got inne müge würken,................. daz er selbe ie diu stat sî, dar inne er würken

wil, unde diz tête er gerne.“

1

Die Richtigkeit unserer Auslegung bestätigen insbesondere fol-

gende späteren Worte derselben Predigt:

(In der Gottheit) „dâ was ich selber, da wolte ich mich selber unde bekante

mich selber ze machenne disen menschen, und hier umbe sô bin ich min selbes

Sache nach minem wesen, daz êwic ist, unde nach mînem wesen, daz zîtlich ist

........ In mîner geburt wurden elliu dinc geborn und ich was sache min selbes

und aller dinge.“

2

Eckehart schließt diesen Gedanken mit den Worten:

„Diz ze wizzen des enist niht nôt.“

3

1

Pf. 283, 10: Ich habe es (schon) oft gesagt,... daß der Mensch aller Dinge

und aller Werke ledig sein soll . . ., derart, daß er eine eigene Stätte Gottes sein

könne, darin Gott wirken möge. Jetzt sagen wir (es) anders. Ist es der Fall, daß

Gott noch eine Stätte findet, in der er wirken könne, so ist der Mensch selbst

in der höchsten Armut nicht arm; aber Gott meint nicht, daß der Mensch eine

Stätte in sich habe, in der Gott wirken könne, (vielmehr), daß er selber die

Stätte sei, in der er wirken will, und es gern täte.

2

Pf. 283, 39: (in der Gottheit) da war ich selber, da wollte ich mich selber

und erkannte mich selber, um diesen Menschen hervorzubringen, und darum bin

ich, nach meinem ewigen und nach meinem zeitlichen Wesen, Ursache meiner

selbst. . .. Bei meiner Geburt wurden alle Dinge (mit-)geboren, und ich war

Ursache meiner selbst und aller Dinge.

3

Pf. 284, 10: Dies zu wissen, ist nicht nötig.