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103

„Sô wirt diu sêle ein himelische wonunge der êwigen gotheit, daz er sîniu

götlîchiu werc volbringet in ir.“

1

. . aber in dem grunde der sêle, dâ ist. . . gotes grunt. . . und ist daz selbe

leben, da got inne lebet.“

2

Solche Einheit mit Gottes Leben macht die Seele zu nichts Gerin-

gerem als zur M i t w i r k e r i n am Schöpfungswerke. Denn in

Gott ist Leben und Schaffen dasselbe:

. . in der Gottheit ist Sein und Wirken (agere) dasselbe“

3

,

wie ja auch nach Aristoteles Gott actus purus ist.

„In der inerliuhtunge klimmet si über sich in dem götlîchen liehte. Alse si

nû danne alsô hein kumet und also mit im vereinet ist, sô ist si ein mitewürkerin.

Kein crêatûre enwürket niht, der vater würket alleine. Diu sêle sol nimmer ûf

gehoeren, si enwerde des Werkes also gewaltic alse got. Sô w ü r k e t s i m i t

d e m V a t e r a l l i u s i n i u w e r c , si würket mit ime einvaltecliche unde

wisliche unde minnecliche.“

4

Wie das zu denken sei, deutet Meister Eckehart mit folgenden

Worten an:

„diu dinc, diu man hie siht wandelhaftic, diu bekennet man dort unwandel-

bêre, unde man nimet sie da, als sie sint zemâle ungeteilet unde nâ bi ein; want

daz hie verre ist, daz ist da nâhe, want elliu dinc sint dâ gegenwertic.“

5

Als wesentlich für das schöpferische Wirken Gottes erscheint die

Seele, wenn Eckehart sagt:

lich und vernünftig ist, ist er nirgends so eigentlich als in der Seele.. . .

Dort, wo die Zeit nie hinkam, wo nie Bilder hinein geleuchtet haben, in dem In-

nigsten und in dem Höchsten der Seele schöpft Gott die ganze Welt. Alles was

Gott schuf, das schöpft er in dem Innigsten und Höchsten der Seele... Der

Vater gebiert seinen Sohn in dem Innigsten der Seele und gebiert dich mit seinem

Sohne nicht minder. (Denn) soll ich Sohn sein, so muß ich in demselben Wesen

(in Gottvater) Sohn sein, wo jener Sohn ist, und in keinem anderen. (Im Sohne,

im Logos, wird aber nach christlicher Lehre die Welt geschaffen.)

1

Pf. 215, 15: So wird die Seele eine himmlische Wohnung der ewigen Gott-

heit, damit er in ihr seine göttlichen Werke vollbringe.

2

Pf. 304, 38: Aber in dem Grunde der Seele, da ist (auch) Gottes Grund, und

(darin) ist ein gleiches Leben, wie das, in dem Gott lebt.

3

B 220.

4

Pf. 161, 26: In der Erleuchtung klimmt sie (die Seele) über sich (hinaus) in

dem göttlichen Lichte. Wenn sie dann so heim kommt und mit ihm (Gott) ver-

eint ist, so ist sie eine Mitwirkerin. Keine Kreatur wirkt, vielmehr wirkt einzig

der Vater. Die Seele soll nimmer ruhen, bis sie des Werkes (der Schöpfung) so

gewaltig werde wie Gott. Dann wirkt sie mit dem Vater alle seine Werke; sie

wirkt mit ihm einfaltig und weise und liebend.

5

Pf. 98, 19: Die Dinge, die man hier dem Wandel unterworfen sieht, die

erkennt man dort als unwandelbar, und man nimmt sie dort, wie sie ganz un-

geteilt und nahe beieinander sind; denn, was hier fern ist, das ist dort nahe,

denn alle Dinge sind da gegenwärtig.