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Denn auch diese Selbstliebe muß ja als Liebe auf irgendeine Weise

ein Sichgemeinen, Sichmitteilen sein, zuerst zwischen den innergött-

lichen Personen, sodann aber auch zu den ideellen Wurzeln der

Kreaturen (die als Ideen in Gott enthalten sind).

Man muß es als eine Vertiefung des Begriffes der göttlichen Liebe

preisen, daß Gott nicht etwas außer ihm Befindliches, als welches

gewöhnlich die von ihm geschaffenen Kreaturen vorgestellt werden,

liebt; vielmehr als etwas in ihm B e f a ß t e s : die Liebe, in der sich

Gott selbst liebt, in der liebt er auch alle Kreaturen! Hier zeigt sich

nun, welche große Bedeutung gerade auch für die Frage der Freiheit

oder Notwendigkeit in der Schöpfung der uns schon bekannte Be-

griff des Innebleibens hat. Wenn Eckehart sagt:

„.. . alles, was Gott schafft oder wirkt, wirkt er allein in sich, schafft er in

sich, schaut oder erkennt er in sich, liebt er in sich; außer sich wirkt er nichts,

erkennt oder liebt er nichts“

1

,

so erhält seine Lehre von der Liebe Gottes, die z u g l e i c h e i n

S i c h v e r g e m e i n s a m e n mit den Geschöpfen ist, erst ihre

letzte Begründung. Eckeharts Schöpfungslehre enthält, wenn wir

alles zusammenfassen, keineswegs die Notwendigkeit, sondern im

Gegenteile, als auf göttliches Erkennen und göttliches Lieben ge-

gründet, die F r e i h e i t der Weltschöpfung.

Bleibt noch die Frage, ob Eckeharts Lehre die „Ewigkeit der

Welt“ behaupte, was insoferne einen atheistischen Gedanken ein-

schließen könnte, als eine ewige Welt keinen Gott mehr brauchte,

der sie schüfe, ja vielmehr neben Gott als eigene Urgegebenheit be-

stünde. Es ist uns aber schon bekannt, daß Eckehart keineswegs be-

hauptet, die Welt sei immer in der Zeit gewesen. Er verneint es im

Gegenteil durch den oft wiederholten Hinweis auf die Ü b e r -

Z e i t l i c h k e i t des Schöpfungsvorganges! Das Wesen Gottes ist,

so überzeitlich wie frei zu sein:

...... in dem nû (in welchem Gott die Welt schafft) ist al diu zît beslozzen.“

2

„Daz nû, dâ got die werlt inne machete, daz ist als nâhe dirre zît als daz

1

Meister Eckhart: Die Lateinischen Werke, Erster Band, Inhaltsverzeichnis

zu den Vorreden des dreiteiligen Werkes, herausgegeben von Konrad Weiß,

Stuttgart 1937, S. 130.

2

Pf. 304, 28: In dem Augenblick, in dem Gott die Welt schafft, ist die ganze

Zeit eingefangen.