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VII. Ergebnis
Nach unseren weitläufigen Auseinandersetzungen können wir als
die Hauptgedanken der Schöpfungslehre Eckeharts in aller Kürze
die folgenden bezeichnen:
1.
Das Schaffen Gottes quillt aus dem innergöttlichen Leben. Daraus
ergibt sich als letzte Folgerung: Gott schafft nur sich selbst (ein
Satz, der sich allerdings wörtlich bei Eckehart nicht findet, aber
den Sinn seiner Lehre wiedergibt). Und was er schafft, ist die
Seele. Eckehart begründet dies damit, daß nur in der Seele die
mystische Einigung, die Gottesgeburt, stattfinden könne:
„Also meinet got in allen sînen werken gar ein selig ende, daz ist: sich selben,
unde daz er die sêle mit allen iren kreften in daz ende bringe, daz ist: in sich
selben"
1
, denn alle Kreaturen sind dazu „zu snoede“ und zu „enge“, daß Gott
„sich niht dar inne beregen“, sich nicht bewegen kann
2
.
2.
Daraus folgt ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Seele
als dem Ebenbilde Gottes, das von sich und Gott weiß, und den
Kreaturen als dessen bloße „Fußstapfen“, die von sich und Gott
nicht wissen.
Außerdem stoßen wir hier wieder auf den Begriff des Fünkleins,
wo die Gottesgeburt allein stattfindet.
3.
Die Seele wird nach dem Zeugnisse der Gottesgeburt zur M i t -
W i r k e r i n Gottes im Schöpfungsgange. Dieser, der heutigen
Denkweise so fremde, Gedanke wird abermals nur durch den
Rückgang auf das mystische Erleben verständlich, wie oben schon
angedeutet. Begrifflich läßt sich ein solcher aber damit begrün-
den, daß das Fünklein durch Berührung Gottes die Einheit mit
Gotte erlange und in diesem Sinne seine Schöpfertätigkeit teile.
4.
Die Schöpfung nach außen hin ist durch gleichzeitiges Innebleiben
und durch ein Eigenwollen, eine Eigentätigkeit des Geschöpfes,
gekennzeichnet.
5.
Emanationslehre (wie bei Plotin) und Urdualismus (wie bei Zara-
thustra) haben in Eckeharts Schöpfungslehre keinen Raum.
Die Nichtigkeit der Geschöpfe an s i c h s e l b s t , ohne Gott,
1
Pf. 13, 10: So zielt Gott in allen seinen Werken auf einen gar beseligenden
Endzweck ab, das ist: auf sich selbst und darauf, daß er die Seele mit allen ihren
Kräften zu diesem Endziel bringe, das ist: zu sich selbst.
2
Q I 71, 4.