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nû, dâ ich iezuo inne spriche, und der jüngeste tac ist als nâhe disem nû als der
tac, der gester was.“
1
„.. . dâ ist ein gegenwertigez nû; daz vor tûsent jâren was und daz über
tüsent jâr komen sol, daz ist dâ gegenwertic.. .“
2
.
„In êwikeit ist weder vor noch nach. Dar umbe, daz vor tûsent jâren ge-
schehen ist unde nâch tûsent jâren unde nû geschiht, daz ist ein in der êwikeit.“
3
Eine emanatistische Vorstellung ist nach alledem umso mehr aus-
geschlossen, als Eckehart sie auch in der Gotteslehre ausschließt. Das
folgt nicht nur aus seiner Lehre vom trinitarischen innergöttlichen
Leben, er lehrt auch ausdrücklich die Transszendenz Gottes über
der Welt. In den Pariser Quästionen sagt er von Gott:
„Vor der gemachten Welt bin ich.“
4
Und bei Pfeiffer heißt es:
„Ez sprichet ein schrift: vor der gemachten weite bin ich.“
5
Und Eckehart begründet das wieder mit der Überzeitlichkeit der
Welt; so daß das „vor“ also als l o g i s c h e r begrifflicher Vorrang
zu verstehen ist.
Ein einziges emanatistisch auszulegendes Bild begegnet uns, so viel
ich sehen konnte, bei Eckehart. Es findet sich bei Pfeiffer in der
Predigt 50, und zwar als Beispiel von dem Wurfe eines Steines in
einen Weiher, durch den immer weitere, schwächere Kreise ent-
stehen
6
. Aber die Verfasserschaft der Predigt 50 ist Eckeharten
meines Erachtens abzusprechen. Die Predigt ist geklittert und in
mehr als einem Punkte uneckehartisch (was freilich nicht ausschließt,
daß auch echte Stellen in ihr enthalten seien). Auch ist der Zusam-
menhang dort unklar, so daß nichts daraus gefolgert werden kann.
Da Eckeharts Lehre von der Überzeitlichkeit der Schöpfung nicht
verstanden wurde (wie denn auch die päpstliche Bulle drei diese
1
Q I 143, 8: Das Nun, in dem Gott die Welt erschuf, das ist dieser Zeit so
nahe wie das Nun, in dem ich jetzt spreche, und der jüngste Tag ist diesem
Nun so nahe wie der Tag, der gestern war.
2
Q I 183, 2: Es gibt ein (stets) gegenwärtiges Nun; was vor tausend Jahren
war und was nach tausend Jahren kommen wird, das ist da gegenwärtig.
3
Pf. 190, 33: In der Ewigkeit gibt es kein Vor und Nach. Darum, was vor
tausend Jahren geschehen ist und nach tausend Jahren (geschehen wird) und jetzt
geschieht, das ist eins in der Ewigkeit.
4
Meister Eckhart: Die Lateinischen Werke, Fünfter Band, Teil II, heraus-
gegeben von Bernhard Geyer, Stuttgart 1937, S. 41.
5
Pf. 190, 28: Eine Schrift sagt: Vor der geschaffenen Welt bin ich (Jes. Sir
24, 14).
6
Pf. 165, 15 ff.