118
bildner = Gott), indem er auf die Ideen hinblickt, die ungeordnete
Materie zur Welt gestalte.
Hier wird also insoferne eine d u a l i s t i s c h e Lehre ent-
wickelt, als Gott schon eine Materie neben sich vorfindet, ehe er
die Welt gestaltet. Die Materie wäre demnach, dies zu Ende gedacht,
eine Urwirklichkeit neben Gott und zweifellos eine gegensätzliche
Wirklichkeit. Ein U r d u a l i s m u s zwischen Gott und der Ma-
terie wäre die Folge, ein echter Schöpfungsbegriff wäre ausgeschlos-
sen. — Allerdings ist auch die Annahme möglich, daß Platon hier
nur Bilder gebraucht und einen Lehrbegriff der „Schöpfung“ gar
nicht geben wollte. — Ähnlich wie Platon schon vorher A n a -
x a g o r a s : dem N u s (Urgeiste, Gott) stehen die „Homoio-
merien“, die Materie, gegenüber.
Wie Platon so auch grundsätzlich A r i s t o t e l e s . Gott ist ihm
reine Tätigkeit (energeia, actus purus), körperloser Geist, was er
näher als „Denken des Denkens“ bestimmt. Von diesem hohen
Gottesbegriffe kann Aristoteles aber den Weg zur Materie nicht
finden. Er konnte aus Gott weder die „Formen“ (Ideen im Sinne
Platons) noch die Materie ableiten. I n s o f e r n e gelingt es ihm
nicht, Gott und die Welt, auch nicht Form (Idee) und Materie zu
vereinigen. Allerdings versucht er die Zusammengehörigkeit von
Form und Materie zu begründen (durch die sogenannte Immanenz
der Form), aber man kann nicht sagen, daß ihm das gelungen sei;
wie er denn auch lehrt, daß der Geist, der Nus, von außen in den
Menschen komme. Insoferne ihm dies also nicht gelingt, muß auch
er d u a l i s t i s c h genannt werden. (Allerdings besteht auch die
Möglichkeit, daß er aus der Selbstbetrachtung Gottes die Ent-
stehung der Welt gefolgert habe; jedoch führte er das nirgends
näher aus, besonders nicht in seiner Formenlehre, und es ist wohl
ausgeschlossen, daß Meister Eckehart eine solche Lehre schon dem
Aristoteles zuschrieb).
Soferne man also bei Platon die (im Gespräch „Sophistes“ vor-
handenen) Andeutungen einer Entstehung der Materie aus der
Ideenwelt übergeht und sich an den Timaios hält; soferne man des-
gleichen bei Aristoteles die Möglichkeit einer Entstehung der Welt
aus dem „Denken des Denkens“, das ist dem Selbstdenken Gottes,
nicht für hinlänglich gegeben hält — insoferne wird bei beiden die
Wirklichkeit der Materie als eines eigenen Urseins vorausgesetzt,