301
geistigem Aufwand bedauern muß
1
. Aber ebensowenig wie die Ge-
dankengebäude der Arbeitswertlehre sind zweifellos auch jene der
Grenznutzentheorie umsonst entworfen worden.
III.Die neuen katallaktischen Richtungen: das Abrücken vom Modell
der reinen Konkurrenz, die Lehre von den Marktformen und von den
Verhaltensweisen
A.
Augustin Antoine Cournot
Die Lehre der Klassiker, jene der Vertreter des Grenzgedankens sowie der
Neoklassiker war Tausch- und Preistheorie; sie war Lehre von der Preisbildung
unter der Annahme allseitigen freien atomistischen Wettbewerbes auf
vollkommenen Märkten, also Preistheorie nach dem Modell der reinen
Konkurrenz.
Diese Stellung wurde von zwei Seiten her unhaltbar:
Erstens von der Wirklichkeit der Wirtschaft selbst her und besonders
angesichts von deren tatsächlicher Entwicklung in der ersten Phase des
Industrialismus.
Zweitens von der Theorie her, deren nicht-preistheoretischer,
historisierender Ast nicht ohne Wirksamkeit blieb, die aber auch in ihrer
katallaktischen Entwicklungsrichtung selbst auf Grund der inneren
Problementfaltung gewisse, wenn auch zaghafte Ansätze eines Abrückens von
dem reinen Modell aufweist; von einem Modell, das seit jeher für die
nicht-individualistische Auffassung der Volkswirtschaftslehre eine
wesenswidrige Abstraktion darstellte.
Als Vertreter der katallaktischen Richtung, bei denen sich solche
1
Gunnar Myrdal kleidet dies in die harten Sätze: „Die praktischen
Resultate der subjektiven Wertlehre sind so nicht sehr eindrucksvoll. Sie lehrt
uns nichts über die Wirklichkeit und hilft uns niemals, praktische Probleme zu
lösen. Sie gibt uns ein abstraktes, unfruchtbares, für den Uneingeweihten
äußerst verwickeltes theoretisches Schema, das selten mit einer konkreten
Situation in Beziehung gesetzt werden kann, ohne die ganze Problemstellung
zu verflachen. Es gehört zu jener Menge besonders in der Sozialwissenschaft so
zahlreicher Systeme, die uns nur ein Scheinwissen geben.“ Gunnar Myrdal:
Das politische Element in der nationalökonomischen Doktrinbildung (Berlin
1932), 2. Aufl., Hannover 1963, S. 93.
Noch entschiedener lehnt K. William Kapp nicht nur die subjektive
Wertlehre, sondern auch die gesamte katallaktische Weiterentwicklung der
Wirtschaftslehre, der sogenannten „reinen“ Theorie, ab (vgl. den be-
merkenswerten, im Aufbauenden allerdings unbefriedigenden Aufsatz Kapps:
Nationalökonomie und rationaler Humanismus, in: Kyklos, Internationale
Zeitschrift für Sozialwissenschaften, Vol. XXI, Fasc. 1, Basel 1968, S. 1—25.
Zum gesamten Fragenzusammenhang Friedrich Romig: Die Entwick-
lungsphasen der „reinen“ Ökonomie, in: ZfG, Wien 1968/II, S. 95—101; auch
mein Nachwort zu Othmar Spann, Tote und lebendige Wissenschaft, 5. Aufl.,
Graz 1967 (Bd 6 der Gesamtausgabe), S. 390—392.