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190

daß das L i c h t d e s I n t e l l e k t e s e i n e n S t e i n ü b e r a l l e s S i n n -

l i c h e u n d ü b e r a l l e s h i e r u n d j e t z t e r h e b t . . .“

1

Auch wenn also der Verstand die s i n n l i c h e n Dinge denkt,

erhebt er sie in das Überräumliche und Überzeitliche. So auch die

dem Verstande offenbar am nächsten stehende memoria, das Ge-

dächtnis:

„Disiu kraft bildet in sich diu dinc, diu niht gegenwürtic sint, daz ich diu

dinc alsô wol bekenne, als ob ich sie sehe mit den ougen, .. . Ich bekenne wol

eine rosen in dem winter,.. .“

2

Nichts ist bezeichnender, als daß Eckehart unmittelbar fortfährt

und ausspricht, was ihm allein des Betrachtern wert dünkt:

„. .. unde mit dirre kraft würket diu sêle in Unwesen unde volget gote, der in

Unwesen würket

.“

3

Fassen wir alles über den Vorrang Gesagte zusammen, so ist es

unzweifelhaft, daß Eckehart der Erkenntnis den entschiedenen Vor-

rang vor dem Willen gab; aber allerdings nicht im Hinblicke auf

das, was man heute eine seelenkundliche Lehre oder Begründung

nennt, sondern einzig im Hinblick auf das, was man heute „über-

seelenkundlich“ nennen würde, weil die heutige Wissenschaft davon

nicht spricht, im Hinblick auf die Gotteserkenntnis. Dieser steht

die Vernunft, die Erkenntnis am nächsten und darum hat sie den

Vorrang vor dem Willen überhaupt und vor der Liebe im beson-

deren

4

. Bedürfte es nach dem Vorangegangenen noch eines Zeug-

nisses hierfür, so wäre es die folgende Auseinandersetzung Ecke-

harts mit einem Gegner:

„Ich sprach in der schuole, daz vernünftekeit edeler wêre danne wille,. . . Dô

sprach ein meister in einer andern schuole, wille wêre edeler danne vernünfte-

keit .. . Ich spriche aber, daz vernünftekeit edeler ist dan wille. Wille nimt got

under dem kleide der güete. Vernünftekeit nimt got blôz, als er entkleidet ist

von güete unde von wesen.. . Dâ von enbin ich niht sêlic, daz got guot ist. Ich

enwil des niemer begern, daz mich got sêlic mache von siner güete, wan er

1

B 115.

2

Pf. 270, 12: Diese Kraft (des Gedächtnisses) stellt in sich die Dinge vor, die

nicht gegenwärtig sind, sodaß ich diese Dinge ebenso gut erkenne, als ob ich sie

mit den Augen sähe — Ich kann mir eine Rose sehr wohl (auch) im Winter

denkend vorstellen.

3

Pf. 270, 15: Und mit dieser Kraft wirkt die Seele im Nichtsein (in Über-

sein) und folgt Gott, der im Nichtsein wirkt.

4

B 60.