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„... alle crêatûre sint ein fuozstapfe gotes, aber diu sêle ist natiurlich nâch
gote gebildet.“
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Über die Gesellschaftsphilosophie Eckeharts handelt, soweit die
spärlichen Ansätze das zulassen: Ilse Roloff: Meister Eckeharts
Schriften zur Gesellschaftsphilosophie, Jena 1934, S. 18—62 (= Die
Herdflamme).
IV. Das Ineinander des schauenden und tätigen Lebens
Eckehart entwickelt formell keine Sittenlehre (Ethik). Aber in
den Anweisungen sowohl, welche er für das rechte Leben und die
rechte Gemeinschaft gibt, wie auch in den Darlegungen über das
reine Wesen des Geistes läßt er sich an dem Begriffe der Abgeschie-
denheit nicht genügen: außer dieser, als völligem Beisichselbstsein
des Geistes, völliger Versenkung in sich selbst, fordert er auch an-
gespannteste T ä t i g k e i t vom Menschen!
Er nimmt klare Stellung zu der uralten Streitfrage aller Mystik,
ob das schauende, abgeschiedene Leben neben dem tätigen möglich
sei, ob das eine das andere ausschließe und wie die Entscheidung
mit den übrigen Grundsätzen seiner Lehre Zusammenhänge.
Wir werden ihn gerade in dieser Entscheidung nicht nur als Lese-
meister, vielmehr als L e b e m e i s t e r finden.
„Nû sint etelîche menschen, die verzerent der sêle krefte alzemâle in dem
ûzern menschen . .. Nû solt dû wizzen, daz der ûzer mensche mac in üebunge
sîn, daz doch der inner mensche des genzlîche ledic stêt und unbeweglich.“
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„... daz man denne rast habe in pînlîchem lebenne, daz ist daz allerbeste.
Ein mensche gê ûf dem velde unde spreche sîn gebet unde bekenne got, oder er
si in der kirchen unde bekenne got: bekennet er got mêr dar umbe, daz er in
einer rastlîchen stat ist, daz kumt von sîner gebrestlicheit, . . .“
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Dieses Ineinander und Miteinander von innerem Schauen und
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Pf. Il, 7: Alle Geschöpfe sind ein Fußstapfen Gottes, aber die Seele ist
naturhaft nach Gott gebildet (demnach Ebenbild).
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Pf. 489, 11: Es gibt nun etliche Menschen, die verbrauchen alle ihre Kräfte
der Seele mit dem äußeren Menschen.. . Du sollst nun wissen, daß dieser äußere
Mensch sich tätig bewegen mag und daß der innere Mensch dabei doch ledig
und unbeweglich steht.
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Pf. 221, 38: ...daß man Ruhe (Abgeschiedenheit) habe im mühevollen
Leben, das ist das allerbeste. Ein Mensch gehe übers Feld und spreche sein Ge-
bet und erkenne Gott, oder er sei in der Kirche und erkenne Gott: Erkennt er
Gott darum mehr, weil er an einer ruhigen Stätte weilt, so kommt das von
seiner Unzulänglichkeit...