205
P f l i c h t z u r T ä t i g k e i t a u f ! Ohne Tätigkeit kann sich
der menschliche Geist nicht entfalten:
„Und als vil sich der mensche mê ledigende ist und ûz würkende, als vil
n â h e t e r g o t e , der lidig ist in ime selber;...“
1
.
Und
„. . . als vil er sich gelidiget hêt mit guoten werken die wîle er in tôtsünden
was, als verre t u o t e r e i n e n g e l î c h e n î n s l a c mit gote sich ze ver-
einende, . . .“
2
.
Damit ist das Wesen des Werkes auch von dem inneren Leben
des Geistes aus gekennzeichnet, darüber die wichtigen Worte:
......w e r c a n t w ü r t e t d e m g e i s t e , . . . : daz antwürten ist anders
niht, wan daz der geist geedelt wirt von der getât, . .
.“
3
Daraus folgt: das tätige Leben ist auch dem vollkommenen Men-
schen unentbehrlich! Ja, Eckehart sieht, indem er auf den „înslac“
hinweist, geradezu ein ekstatisches Element in dem guten Werke!
Nun ist auch das Beispiel von Tür und Angel ganz verständlich.
Die Gegenseitigkeit von Schauen und Handeln ist, so dürfen wir
Eckehart erläutern, ein inneres Lebenserfordernis des Geistes. Zu-
gleich trifft er aber, wie wir immer wieder erinnern müssen, mit
dem in der Naturphilosophie zutagegetretenen Grundzuge zusam-
men, daß alle Wesen im Drängen und Streben nach Gott erst ihre
Eigenschaften entfalten und ihre Wirklichkeit erlangen.
Uber das Ineinander von Abgeschiedenheit und Tätigkeit äußert
sich Eckehart öfters. So in der früher angeführten Stelle, wonach
der Mensch auf dem Felde ebenso auf gleiche Weise wie in der
Kirche Gott erkennen solle. Erkennt er Gott mehr darum,
„. .. , daz er in einer rastlîchen stat ist, daz kumt von sîner gebrestlichkeit, . . ,“
4
.
1
Pf. 73, 38: Und je mehr sich der Mensch entledigt und auswirkt, umso
mehr n ä h e r t e r s i c h G o t t , der ledig ist in sich selbst . . .
2
Pf. 74, 3: . . . so sehr der Mensch sich mit guten Werken entledigt hat, die-
weil er in Todsünden war, so weit tut er nun e i n e n e n t s p r e c h e n -
d e n E i n s c h l a g (Schritt zur mystischen Mitte), sich mit Gott zu vereinen. . .
3
Pf. 74, 19: ...(Das) W e r k a n t w o r t e t d e m G e i s t e . . . Dieses
Antworten ist aber nichts anderes, als daß der Geist durch die (gute) Tat (im
Werke) geedelt wird (erhoben wird, frei gemacht wird) . . .
4
Pf. 222, 2: . . . , weil er an einer ruhigen Stätte weilt, so kommt das von
seiner Unzulänglichkeit.