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Dem entspricht der tiefe Gedanke der Schöpfungslehre, daß die

reine Innerlichkeit Gottes, seine „unbewegliche Abgeschiedenheit“,

zugleich reine T ä t i g k e i t sei — zugleich die Welt schaffe:

.. dô got himelrîche und ertrîche schuof und alle crêatûre, daz gienc sîne

unbewegelîche abegescheidenheit als wênic an, als ob er nie crêatûre geschaffen

hête.“

1

An vielen Stellen seiner Schriften wird das Ineinander von Ab-

geschiedenheit und Tätigkeit näher ausgeführt. So in der gut er-

haltenen, vielleicht von Meister Eckehart selber ausgearbeiteten

Predigt über M a r t h a u n d M a r i a . Dort stellt er sogar, um

seinen Standpunkt der Bejahung der Tätigkeit offenkundig hervor-

zuheben, im Gegensatz zur herkömmlichen Auffassung, die tätige

Martha über die bloß schauende Maria. Er sagt:

„.. . allez daz zîtlîches und êwiges guotes wêre . . . , daz daz Marthâ zemâle

hâte. .. Da von sprach er [Jesus] ,dû bist sorcsam“, unde meinte: dû stâst bî

den dingen unde diu dinc stânt niht in dir; unde die stânt mit sorgen, die

âne hindernüsse stânt in allem irm gewerbe. Die stänt äne hindernüsse, die

alliu ir werk rihtent ordenlîche nâch dem bilde des êwigen liehtes... E i n e z

i s t , â n e d a z i c h i n g o t n i h t k o m e n m a c , d a z i s t w e r c u n d

g e w e r b e i n d e r z î t , . . . Wan dar umbe sîn wir gesetzet in die zît, daz

wir von zîtlîchem vernünftigem gewerbe got nêher unde gelîcher werden.“

2

Diese herrlichen weithin leuchtenden Sätze sind uns von der aus

der Naturphilosophie und Schöpfungslehre folgenden Lehre her

schon vertraut, wonach die Dinge durch ihr Eilen und Jagen nach

Gott in den Zustand der G o t t f ö r m i g k e i t zu gelangen streben,

aber hier kehren sie im Zusammenhange der Sittenlehre wieder!

Diese Sätze lehren aber auch etwas anderes, was unsere Zeit am

nötigsten hat: die i n n e r e F r u c h t b a r k e i t d e r A r b e i t

1

Pf. 487, 13: . . . D a Gott Himmel und Erde schuf und alle Geschöpfe, da

rührte das so wenig an seine unbewegliche Abgeschiedenheit, als hätte er nie

Geschöpfliches erschaffen.

2

Pf. 49, 12: (Christus meinte), daß Martha alles, was es zeitlichen und ewigen

Gutes gäbe, zur Gänze besessen hätte... Daher sprach er: ,Du bist besorgt“

und meinte damit: ,Du stehst b ei den Dingen und die Dinge stehen nicht in

dir“. — Diese (Menschen) stehen sorgenvoll, die in allem ihrem „Gewerbe“

(in allem ihrem Werken) behindert sind, hingegen stehen jene ohne Behinde-

rung, die alle ihre Werke nach dem Vorbild des ewigen Lichtes und der Ord-

nung gemäß ausrichten.. . (Es ist die Rede von zweierlei Wegen, „Mitteln“,

zu Gott zu gelangen) E i n e s (der Mittel), o h n e d a s i c h n i c h t z u G o t t

g e l a n g e n k a n n , i s t W i r k e n u n d „ G e w e r b e " i n d i e s e r Z e i t

. . . Denn dazu sind wir in die Zeit gesetzt, daß wir durch der irdischen Zeit

gemäßes und vernunfterhelltes Handeln („Gewerbe“) Gott näher kommen und

ähnlicher werden.