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214

„So wächst auch das Werk Gottes in uns nicht durch die Zeit, Zahl oder

Größe der äußeren Tat. Kein Fünkchen von sittlicher Güte kann die äußere

Tat zum inneren fügen, sondern umgekehrt; was immer er an Güte hat, das

empfängt er vom inneren ..

Der Grund der Güte ist zuletzt Gott, daher sagt Eckehart — in

Übereinstimmung mit seiner Lehre von der „Entledigung“ des Gei-

stes durch die Tat —:

: in eime ieglîchen guoten gedanken oder guoter meinunge oder guotem

werke werden wir alle zît niuwe geborn in gote.“

2

Und eben hierin liegt der Grund auch für das „ohne warum“

(„sonder warumbe“) echter Tugend! Die Tugend macht den Men-

schen gottförmig. Der Tugendhafte, Gerechte ist gottförmig. Gott

ist selbst die Güte und Gerechtigkeit. Gott wirkt alles aus seinem

innersten Wesen, er hat nichts a u ß e r sich, weswegen er wirken

könnte

3

.

„Also als got wirket sunder warumbe und enkein warumbe hât, in der wîse

alse got wirket als wirket ouch der gerehte sunder warumbe und alsô alse daz

leben lebet umbe sich selber unde ensuochet enkein warumbe, dar umbe ez

lebe, alsô enhât ouch der gerehte e n k e i n w a r u m b e , d a r u m b e e r i h t

t ü e j e.“

4

„Dem gerehten menschen ist sô nôt zuo der gerehtekeit, daz er niht anders

kan geminnen denne gerehtekeit. Wêre got niht gereht (als ich mê gesprochen

hân), er ahtete niht ûf got.“

5

Solche Übersteigerungen liebt Eckehart, die Erleuchtung treibt

ihn dazu. Daher sagt er auch:

„W1isheit unde gerehtekeit ist ein in gote, unde der dâ minnet die wârheit,

der minnet ouch die gerehtekeit, und wêre der tievel gereht, er minnete in al vil

als er gereht wêre, und niht eins hâres mêr.“

6

1

Deutsch von Konrad Weiß, in: Ilse Roloff: Meister Eckeharts Schriften zur

Gesellschaftsphilosophie, Jena 1934, S. 313 (= Die Herdflamme, Bd 20).

2

Pf. 147, 36: In einem jeglichen guten Gedanken oder gutem Streben oder

gutem Werke werden wir allezeit neu geboren in Gott.

3

Vgl. dazu Ferdinand Weinhandl: Meister Eckehart im Quellpunkt seiner

Lehre, 2. Aufl., Erfurt 1926, S. 14 ff.

4

Pf. 146, 20: So, wie Gott ohne Warum wirkt und kein Warum hat, — ganz

in der gleichen Weise, wie Gott wirkt, so wirkt der Gerechte auch ohne Warum;

und so, wie das Leben um seiner selbst willen lebt und kein Warum sucht, um

dessentwillen es lebe, so hat der Gerechte auch k e i n W a r u m , u m d e s -

s e n t w i l l e n e r e t w a s t u e .

5

Pf. 146, 10: Dem gerechten Menschen tut die Gerechtigkeit so not, daß er

nichts anderes lieben kann als die Gerechtigkeit. Wie ich schon öfters gesagt habe:

Wäre Gott nicht gerecht, er würde nicht auf Gott achten.

6

Pf. 146, 13: Weisheit und Gerechtigkeit sind eins in Gott; und wer da die

Wahrheit (besser: Weisheit) liebt, der liebt auch die Gerechtigkeit; und wäre der