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Die Lehre vom Guten und der Tugend muß immer in Gott
münden.
„Got der hat wol genüegde unde lust gegozzen in die crêatûre, aber diu
wurzele aller genüegde unde daz wesen aller lust daz hât got alleine in ime
selber behalten. . ., dar umbe, daz er uns alleine zuo im haben wil unde ze
nieman anders. Got der smuket und erbiutet sich alsô engegen der sêle unde
hat sich mit aller sîner gotheit des geflizzen, daz er der seêle behegelich werde,
wan got der wil alleine der sêle behagen und er enwil enkeinen glîchen haben.
Got der enlîdet enkein getrenge, er wil ouch niht, daz man iht anders ûzer ime
meine oder begere.“
1
Dem Einwande, „es sei eine schwere Rede, daß wir keines Lohnes
begehren sollen“, begegnet Eckehart mit seinem Lohn von Leiden,
damit, daß Gott alles gebe und daß er gerne gebe:
„Im ist vil noeter, daz er uns gebe, dan uns ze nemende; ... : wan ie minre
wir. . . geren, ie mê got gît.“
2
Eine Lehre Meister Eckeharts, die er oft berührt, ist, daß auch
die G o t t e s l i e b e ohne ein äußerliches Warum sein müsse, daß
vielmehr, wie das Gute um des Guten willen, die Wahrheit um der
Wahrheit willen, so auch Gott allein um Gottes willen geliebt wer-
den müsse:
„Aber etliche liute .. . wellent got alsô minnen, als sie ein rint minnent. Die
minnest dû umbe die milch und umbe die kaese und umbe dînen eigen nutz.
Alsô tuont alle die liute, die got minnent umbe ûzewendigen rîchtuom oder
inwendigen trôst,.. . Jâ ich spriche wêrlîche: allez, daz dû fürsetzest in diner
meinunge, daz got niht in im selber ist, daz enkan niemer sô guot sîn, ez ensî
dir ein hindernisse der nêhsten wârheit. . . [vielmehr] sol dîn herze beslozzen
sin vor aller geschaffenheit unde solt got nemen, als er in ime selber ist.“
3
Teufel gerecht, er (der gerechte Mensch) liebte ihn, soweit er gerecht wäre, doch
um kein Haar mehr.
1
Pf. 148, 9: Gott hat wohl Genügen und Lust in die Geschöpfe gegossen,
aber die Wurzel alles Genügens und das Wesen aller Lust, die hat Gott alleine in
sich selbst behalten .. . denn er will uns bei sich alleine und bei niemandem sonst
haben. Gott schmückt und bietet sich so der Seele dar und hat sich mit seiner
ganzen Gottheit beflissen, der Seele zu behagen. Denn Gott, er allein will der
Seele gefallen und er will (dabei) keinen Nebenbuhler haben. Gott duldet keine
Beschränkung; er will auch nicht, daß man irgend etwas anderes außer ihm
anstrebe oder begehre.
2
Pf. 149, 11: Ihm ist viel nötiger, uns zu geben als uns zu nehmen .. . denn,
je weniger wir begehren, umso mehr gibt Gott.
3
Pf. 70, 17: Aber manche Leute wollen Gott lieben, wie sie eine Kuh lieben.
Die liebst du wegen der Milch und des Käses und deines eigenen Nutzens. So
halten’s alle jene Leute, die Gott um äußeren Reichtums oder inneren Trostes
willen lieben... Ja wahrlich, ich sage: Alles, worauf du strebst und was nicht
Gott in sich selbst ist, das kann niemals so gut sein, daß es dir nicht ein Hinder-
nis vor der innersten Wahrheit werde . .. vielmehr soll dein Herz verschlossen
sein gegen alle Geschaffenheit und du sollst Gott nehmen, wie er in sich selbst ist.