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teile: sie s o n d e r t s i c h a b , das heißt aber wieder, sie
schrumpft in sich zusammen, sie m i n d e r t i h r e n G e h a l t
a n S e i n , an Wirklichkeit
1
. Daher ist bei Eckehart folgerichtig
das Böse B e r a u b u n g , Mangel, wie schon dem Aristoteles und
der gesamten aristotelischen Scholastik. Das Bemerkenswerte ist da-
bei aber: daß d i e s e r L e h r b e g r i f f m i t E c k e h a r t s
N a t u r - u n d S c h ö p f u n g s l e h r e zusammengeht! Er er-
hält dadurch eine eigene Farbe. Damit stimmen alle weiteren
Äußerungen Eckeharts dieser Art:
„ D a s B ö s e e n d e t i m N i c h t s.“
2
Und dazu eine wichtige Ausdeutung:
„ D a s N i c h t s s e l b s t i s t d i e U r s a c h e a l l e n Ü b e l s (ipsum nihil
est causa omnis mali).“
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Eckeharts Grundgedanken können wir demnach auch so aus-
sprechen: im Streben zu Gott tätig zu sein und seine Eigenschaften
zu entfalten, m e h r t u n s e r S e i n und nähert uns Gotte;
im Streben zu sich selbst tätig zu s e i n , m i n d e r t u n s e r
S e i n , entfert uns von Gotte, führt zum Nichts, zum Bösen.
Und ebenso:
„Selbst das Nichts, die Wurzel des Bösen. . .“
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[übrigens heißt es hier weiter:
„der Beraubung und der Vielheit, verbirgt sich im wahren und vollen Sein
selbst“ — das heißt in seiner Idee, hier in Gott, gemäß der oben gegebenen
Darstellung seiner Ideenlehre].
Bemerkenswert ist, daß hier Eckehart das Nichts gleichsam dra-
matisiert und sozusagen selbständig auftreten läßt, während es ja
seiner eigenen Lehre gemäß erst die Folge einer Art von Schrump-
fung, Selbstvernichtung, Selbstberaubung ist.
Die S ü n d e
Übereinstimmend mit dem Begriffe des Bösen als dem Wege
zum Nichts bestimmt Eckehart den Begriff der S ü n d e :
1
Dasselbe erweist sich in der Gesellschaftslehre. Gezweiung, Gemeinschaft er-
weckt den Geist, Absonderung macht ihn schrumpfen. Siehe mein Buch: Gesell-
schaftslehre, 3. Aufl., Leipzig 1930, S. 113 f. [4. Aufl., Graz 1969, S. 143 f.].
2
B 164.
3
B 86.
4
B 86.