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.. weil die Sünde von Gott trennt, der das Leben der Seele ist.“
1
„ . . . weil
d a s . . . Letzte, in dem.. . jedes Böse endigt... das Nichts oder das Nicht-Sein
ist.“
2
Demgemäß ist auch die Sünde Abkehr von der Seligkeit
3
. Als
Entfernung vom Sein und von Gott — denn „Gott ist das Sein“ —
ist sie auch Verkehrung der Ordnung der Welt sowie ihres Rang-
und Stufenbaues:
„Sünde, für jetzt [gesagt, das heißt vorläufig bestimmt] liegt vor, sooft die
Ordnung der Dinge aufgehoben wird und das Obere dem Niederen unterworfen
wird, die Vernunft der Sinnlichkeit. [Ferner ist] Sünde immer ein Zurückschreiten
von der Einheit zur Vielheit [was eben im Rückschreiten von der Vernunft zur
Sinnlichkeit und von Seinsfülle zu Seinsarmut liegt]“
4
.
C.
L e i d e n , T o d , E r l ö s u n g
Die Sünde als Minderung an Sein muß folgerichtig auch das
L e i d e n und den T o d begründen: alles das, dem ein Mangel,
eine Beraubung, ein Nichtsein beigemischt ist. Dies kann man als
herkömmliche scholastische Lehre bezeichnen, aber doch gibt ihr
Eckehart eine eigene Prägung. Das zeigt sich schon in der Be-
griffsbestimmung des Todes:
„Vom Leben, vom Sein abfallen oder sich entfernen ist Tod.“
5 *
Demgemäß ist die
„Sünde im eigentlichen Sinne Tod, als Fall oder Entfernung von Gott, vom
Leben, vom Sein. Umgekehrt ist Nicht-Fallen, Sich-Nicht-Entfernen, Nicht-
Sündigen, Lebendigsein, Leben“
8
.
Zu dem Satze „der Sünde Sold ist der Tod“ sagt Eckehart:
„. .. weil die Sünde von Gotte trennt, der das Leben der Seele ist, so wie
die Seele das Leben des Leibes ist. . . [und] weil die Sünde als Rückschritt vom
Sein zum Nichts, der T o d im wahrsten Sinne ist“
7
„ G a n z a l l g e m e i n
s t i r b t d a h e r a l l e s S e i e n d e insoweit wirklich, als es durch irgend-
einen Mangel vom Sein [vom göttlichen Sein] abfällt.“
8
Worauf der wichtige Satz folgt:
„Das Vollkommene ist von einer Natur, die diesem Mangel entgegengesetzt
1
B 163.
2
B 164 f.
3
B162 und 158 ff.
4
B 158.
5
B 162.
8
B 162.
7
B 163 f.
8
B 164.