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Dô ich stuont in dem grunde, in dem bodem, in dem river und

in der quelle der gotheit, dâ frâgete mich nieman, war ich wolte

oder waz ich tête: dâ enwas nieman, der mich frâgete. Dô ich flôz,

dô sprachen al crêatûren got. Vrâgete man mich: bruoder Eckehart,

wenne gienget ir ûzerme hûze? Dô was ich da inne. Also sprechent

alle crêatûren von gote. Und war umbe sprechent sie niht von der

gotheit? Alles daz, daz in der gotheit ist, daz ist ein, unde dâ von

ist niht ze sprechenne. Got wirket, diu gotheit wirket niht, si enhât

niht ze wirkenne, in ir ist kein werc. Si geluogete ûf nie kein werc.

Got unde gotheit hât underscheit an würken und an nihtwürken.

Swenne ich kume wider in got, bilde ich dâ niht, sô ist mîn dur-

brechen vil edeler danne mîn ûzfluz. Ich alleine bringe alle crêatûren

ûz ir Vernunft in mîn Vernunft, daz sie in mir eine sint. Swenne ich

kume in den grunt, in den bodem, in den river und in die quelle

der gotheit, sô frâget mich nieman, wannen ich kome oder wâ ich

sîgewesen. Dâ vermiste mîn nieman, daz entwirt.

Swer dise predie hât verstanden, dem gan ichz wol. Wêre hie

nieman gewesen, ich müeste si disem stocke geprediet hân. Ez sint

etliche arme liute, die kêrent wider heim unde sprechent: ich wil

sitzen ûf eine stat und ezzen mîn brît unde dienen gote. Ich spriche

bî der wârheit, daz dise liute müezent verirret blîben noch niemer

mügent ervolgen noch erkriegen, daz die andern ervolgent, die gote

nach volgent in armüete und in ellendekeit. Âmen.

Pf. 179, 10 ff.: Fürchtet nicht die Euren Leib töten wollen, denn die Seele

vermögen sie nicht zu töten; denn Geist tötet nicht Geist, Geist gibt dem Geiste

Leben. Die Euch töten wollen, die sind von Fleisch und Blut, und beides stirbt

miteinander ab. Das Edelste am Menschen ist das Blut, wenn es zum Guten

strebt, doch ist es das Ärgste, wenn es das Böse will. Siegt das Blut über das

Fleisch, so ist der Mensch demütig, geduldig und rein, und die Tugend ziert ihn;

besiegt das Fleisch hingegen das Blut, so wird der Mensch hoffärtig, zornig und

unrein, und jede Untugend ist bei ihm zu finden. Hiemit ist Sankt Johannes

gelobt, er, den Gott selbst gelobt hat.

Hört zu, ich will nun von etwas sprechen, wovon ich noch nie sprach. Als

Gott Himmel, Erde und alle Wesen schuf, da werkte Gott nicht; er mußte nicht

werkend schaffen, denn an ihm selbst war auch nichts Geschaffenes. Da sprach

Gott: „Machen wir ein Ebenbild!“ Schaffen ist ein leichtes Ding: Das tut unser-

eins wann und wie er will. Aber was ich erschaffe, das mache ich selber mit mir

und in mir selber und präge zugleich mein Bild darein. „Wir machen ein Eben-

bild“: Nicht du, Vater, noch du, Sohn, noch du, Heiliger Geist, sondern: Wir in

dem Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit, wir machen (uns) ein Ebenbild.“

Als Gott den Menschen machte, da wirkte er in der Seele sein (ihm) gleiches

Werk, sein wirkendes Werk und sein immerwährendes Werk. Das Werk war so

groß, daß es nichts anderes war als die Seele: sie war Werk Gottes. Gottes Natur,