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Geistes anzuwenden; endlich auch, was allerdings dem heutigen
Zeitgeiste wenig gemäß ist: die Größe und Würde des Geistes zu
erkennen.
Das Ziel unserer kurzen Darlegung ist erreicht, die Stelle, an wel-
cher das Innewerden des Schönen und die schaffende Tat des Künst-
lers im Gliederbau des Geistes erfolgt, ist aufgezeigt und ihre
Eigenart nachgewiesen: Das G e s t a l t e n a u f d e m G r u n d e
d e r E i n g e b u n g . Das Schöne und die Kunst leiten sich nicht
von anderen Geisteserscheinungen ab, sondern kommen von sich
selber her.
B. Von den g a n z h e i t l i c h e n K a t e g o r i e n
Der kurze Blick auf die Geisteslehre bewies schon, daß wir die
ganzheitlichen Kategorien, z. B. jene der „Rückverbundenheit“,
nicht entbehren können. Auch unser lehrgeschichtlicher Bescheid
zeigte, daß die Grundbegriffe der Kunstphilosophie von der Kate-
gorienlehre der betreffenden Philosophie abhängen. Das trat z. B.
bei Kant hervor, dessen Kategorien bekanntlich apriorische Weisen
des Geistes sind, wodurch sie einerseits die übersubjektive Gültig-
keit — das Urteil über das Schöne ist verbindlich — erhalten, ande-
rerseits doch nur dem Subjekte eigen sind und einen Zug zum For-
malismus haben müssen. Dasselbe gilt für die empiristischen Kunst-
philosophien, deren Hauptkategorie die „Beziehung“ oder „Rela-
tion“ ist, aus welcher sich der sinnliche Reiz, die Sinneseindrücke,
die Vorstellungen und Gefühle (z. B. der „Illusion“, „Einfühlung“
und dergleichen) ergeben, aus welchen allen das Schöne nach dem
Verfahren der Physik erklärt werden soll.
Die Kategorienlehre, wie ich sie an anderer Stelle entwickelte
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,
wendet sich von allem Ursächlich-Mechanistischen vollständig ab
und unterscheidet zwei Urkategorien: Ausgliederung und Rückver-
bundenheit.
Wir gehen von der Ausgliederung aus, von welcher sich die Wei-
sen oder Kategorien der Ebenbildlichkeit, des Ranges, der Leistung
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Vgl. mein Buch: Kategorienlehre, 3. Aufl, Graz 1969 (= Othmar Spann
Gesamtausgabe, Bd 9).