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„Das Göttliche, das dem Wissen des Malers innewohnt, bewirkt, daß der
Geist des Malers sich in ein Gleichnis göttlichen Geistes verwandelt, weil er aus
freier Gewalt zu der Zeugung von verschiedenen Wesen, verschiedenen Pflanzen,
Früchten, Ländern, Landschaften, Ruinen gelangt und verschiedene fürchterliche
und schreckliche Orte s c h a f f t . . ,“
1
Man ersieht hieraus, daß Leonardo in den angeführten Fällen kein
bloßes Nachahmen und Nachzeichnen sieht, vielmehr auch hier ein
„Schaffen aus freier Gewalt“, also Eingebung, welche ihm ein
„ G l e i c h n i s g ö t t l i c h e n G e i s t e s “ mit vollem Rechte
ist.
Für die Welt der Tonkunst genügt es, auf M o z a r t s Wort
hinzuweisen:
„Alles Finden und Machen geht in mir nur wie in einem Traume vor“
2
.
Solche unwillkürliche Ausbrüche von Meistern aller Kunstgattun-
gen ließen sich noch viele anführen. Wir begnügen uns, noch auf
einige hinzuweisen.
Die folgenden Worte U h l a n d s verlangen nicht philosophi-
schen Höhensinn, sondern nur einfachen Wahrheitssinn zu ihrem
Verständnisse:
Was nicht von innen keimt hervor,
Ist in der Wurzel schwach.
Nur die Eingebung lehrt uns verstehen, wie es zugehe, daß der
echte Künstler von innen heraus, aus dem Geiste und Wesen der
Menschen und Dinge, schaffe. Nur die Eingebung ist es, die ihn
treibt. Dagegen ist das bloß äußerliche Abschildern, die Realistik
und Naturalistik jeder Art, ein Zeichen schwacher oder fehlender
Eingebung!
1
Angeführt bei Giorgio Nicodemo: Das Leben und das Werk Leonardos, in
dem Sammelwerke „Leonardo da Vinci“, deutsche Ausgabe, 3. Aufl., Berlin o. J.
(1940).
Leonardo da Vinci: Das Buch von der Malerei, Deutsche Ausgabe nach dem
Codex Vaticanus 1270, übersetzt und unter Beibehalt der Haupteinteilung über-
sichtlich geordnet von Heinrich Ludwig, Wien 18S2, S. 139: 6. Schilderungen,
68 Wohlgefallen des Malers: „Die Göttlichkeit, die der Wissenschaft des Malers
innewohnt, bewirkt, daß sich der Geist des Malers zur Ähnlichkeit mit dem gött-
lichen Geist emporschwingt, denn er ergeht sich mit freier Macht in der Hervor-
bringung verschiedenartiger Wesenschaft mannigfaltiger Thiere, Pflanzen, Früchte,
Landschaften, Gefilde, Bergstürze, angstvoller und schauriger Orte, die den
Schauenden mit Schrecken erfüllt, . . . "
2
Angeführt bei Alexander Ryger: Musik und Lebensweisheit, Aussprüche
berühmter Musiker, Dichter und Denker, Wien 1933, S. 26.