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gebilde — oder die ruhende Venus von Giorgione oder Ritter, Tod

und Teufel von Dürer bilden.

Jedoch auch die geistige Gestalt hat noch eine Grundlage. Wir

müssen auf ihr Letztes, auf die E i n g e b u n g zurückgehen!

Die Eingebung aber hat es an sich, in i h r e m g e i s t i g e n

K e r n e n o c h s t u m m , n o c h i n s i c h v e r s c h l o s -

s e n zu sein. Sie muß erst noch aufgeschlossen werden! Dies

geschieht durch etwas, was ihr als M i t t e l dient, sich bemerklich

zu machen. Die Eingebung muß sich demnach: vermitteln, das heißt,

offenbaren, kundgeben, aufschließen, ausdrücken oder wie man das

sonst kennzeichnen möge.

Und hier liegt der Ursprung, das Wesen der Gestaltung: Ge-

s t a l t u n g i s t j e n e U r t a t d e s G e i s t e s , w e l c h e

d i e O f f e n b a r u n g d e s E i n g e b u n g s g e h a l t e s v o l l -

z i e h t .

Diese Begriffsbestimmung der Gestaltung weist uns streng wirk-

lichkeitsgemäß auf die verschiedenen V e r m i t t l u n g s w e i -

s e n oder M i t t e l (Medien), durch welche die Offenbarung, die

Aufschließung der in sich stummen Eingebung erfolgen kann.

Ehe wir aber dem weiter nachgehen, wird uns der Vergleich von

Gestaltung und Wissen weitere Klarheit verschaffen. Denn die Ein-

gebung wird nicht nur gestaltet, sie wird auch, wie schon früher

ausgeführt, gewußt. Und das Wesentliche dabei, so ergab sich früher,

ist: Wenn der menschliche Geist das in der Eingebung Empfangene

sich entgegensetzt, wenn er es vergegenständlicht, sich selbst gegen-

über objektiviert, dann macht er es zum G e w u ß t e n , demnach

zum Gedanken, zum Begriffe. Der Geist ist dann Subjekt-Objekt;

Subjekt, sofern er selbst es ist, der sich etwas entgegensetzt, Objekt,

sofern er etwas ihm Entgegengesetztes, ein Objektiviertes, hat.

Diese Urtat des Geistes, das Wissen, ist von anderen Geistestaten

und Geistesinhalten nicht ableitbar.

Auch die Gestaltung ist eine Urtat des Geistes. Wie man das

Wissen demjenigen nicht erklären kann, der nicht selbst w e i ß ,

nämlich dem Blödsinnigen, und ihm mit Umschreibungen, es sei

Selbstvergegenständlichung, keineswegs geholfen ist; wie man auch

dem Blinden die Farbe „Blau“ nicht erklären kann, da er sie selbst

erleben muß; so auch im Falle der Gestaltung: Man kann die Urtat

unseres Geistes, welche in der Gestaltung gegeben ist, demjenigen