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tun. Mit dem Begriffe „Vermittlung“, „Offenbarung“, „Sich-Darstellen“ durch ein
„Anderes“, ein „Medium“ oder „Mittel“ ist lediglich eine Umschreibung gegeben,
welche nur jenem etwas sagen kann, der aus eigener innerer Erfahrung weiß, was
Gestalt ist! Wie ja auch die Bestimmung ,Subjekt-Objekt“ nur demjenigen etwas
sagen kann, der „Wissen“ aus innerer Erfahrung, eigenem Erleben kennt.
Gestalt kann daher n i c h t , w i e d i e E m p i r i s t e n w o l l e n , a u s
W a h r n e h m u n g e n und deren „assoziativem Gehalte“ sowie aus nachträg-
licher „Vereinheitlichung“ ihrer „Mannigfaltigkeit“ abgeleitet werden; vielmehr
g e h t d i e g e i s t i g e U r t a t d e r G e s t a l t u n g j e d e r Wahrneh-
m u n g s c h o n v o r a u s .
Aus eben demselben Grunde sind auch die Erklärungen von Gestalt als „G e -
f ü g e “ , „ S t r u k t u r “ , „Aufbau“, „Gebilde“ unbrauchbar und bewegen sich im
Kreise. Sie setzen voraus, was sie erklären sollen: die Gestalt! Sie sind bereits
W e i s e n der Gestalt, sie sagen nämlich, daß Gestalt ein „Gefüge“, einen „Auf-
bau“ (was selbst schon gestaltlich ist) usw. habe, das heißt: daß Gestalt durch
und durch gestaltet sei! - Ähnliches gilt von der „Gliederung“, welche auf Ganz-
heit überhaupt paßt; ferner von der Bestimmung der Gestalt als „Äußerung eines
Inneren“ (Theodor Vischer); diese hat nur einen Sinn, wenn das „Sich-Äußern“
schon als Gestaltung verstanden wird. Andernfalls wäre es nur eine örtliche Ver-
änderung, die damit ausgesagt wird, welche nichts anderes bedeutete, als daß
jemand z. B. aus dem Zimmer geht (ins Äußere).
Ist die Gestaltung eine Urtat des Geistes, die von nichts abgeleitet ist, dann
sind alle empiristischen Wesenserklärungen der Gestalt von Anbeginn hinfällig.
B. B e i s p i e l e f ü r d i e G e b u r t d e r G e s t a l t a u s
d e r E i n g e b u n g
Aus unserem Begriffe der Gestalt ergeben sich mehrere Folgerun-
gen. Vorerst gilt es aber, ihn an Beispielen zu verdeutlichen und
zu erproben.
Von der Eingebung zur Gestalt — wie wird dieser Weg zurück-
gelegt? Darum geht alles!
Jeder Mensch erlebt es, schon indem er z. B. einem plötzlichen
Einfalle Worte verleiht, Worte, welche ja, als Tongebilde genom-
men, schon Gestalten sind. Und doch ist dieser jedem geläufige
Vorgang ein nicht aussagbares Rätsel.
Suchen wir bei den Künstlern selbst nach Bekenntnissen, aus
denen wir vom Übergange der Eingebung in Gestalt etwas erfahren
können.
Daß die Eingebung lebendig den Geist durchpulsen, ganz erfassen
müsse, ist unerläßliche Voraussetzung. So sagt Schiller: „Nichts,
als was in uns selbst schon lebendige Tat ist, kann es außer uns