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Wie mich geheimnisvoll die Form entzückte!
Die gottgedachte Spur, die sich erhalten!
Ein Blick, der mich an jenes Meer entrückte,
Das flutend strömt gesteigerte Gestalten ...
bis zuletzt die Einheit des Geistes und seines Gestaltungsmittels,
der Natur, im Blicke auf das große kosmische Gesamtganze sich
darstellt:
Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare?
Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen,
Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.
Goethe wird hier zu einer neuen Eingebung entrückt, die hohe
See des Alls, wie sie Gestalten ausströmt und — der Naturphilo-
sophie Schellings ähnlich — dabei die Natur als Geist, der Geist als
Natur zur Anschauung kommt!
C. B e i s p i e l e f ü r d e n W e g v o n d e r G e s t a l t
z u r ü c k z u r E i n g e b u n g
Den umgekehrten Weg wie von der Eingebung zur Gestalt lehrt
uns die denkwürdige Erzählung Theodor Amadeus Hoffmanns „Des
Vetters Eckfenster“ zurücklegen: den Weg von der Gestalt zur Ein-
gebung! Der gelähmte Vetter sieht von dem Eckfenster des ersten
Stockwerkes eines Hauses mit dem Operngucker auf den Markt hin-
unter. Er liest aus den Gesichtern und Gestalten, dem Tun und
Treiben der auf dem Markte erscheinenden Menschen ihre Gemüts-
und Gesinnungsart und auch ihre Schicksale ab: Die Gestalt führt
ihn zur Eingebung von der Wesensart jener Menschen zurück,
welche allem zugrunde liegt. Zu jeder Wesensart gehört ein be-
stimmtes Schicksal, eine bestimmte Geschichte; vor allem gehören
Wesensart, Charakter und Gestalt zusammen.
Wie die eine Wesensart aufschließende Eingebung die ihr ent-
sprechende Gestalt im Geiste des Künstlers (auf die früher erkannte
Weise der Vermittlung) hervorruft; so führt auch umgekehrt die
Gestalt auf die Wesensart, welche ihr zugrunde liegt, durch Ein-
gebung zurück!
Im Grunde sehen wir dasselbe, was T h e o d o r A m a d e u s