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109

III.

Das Schöne als Ineinander von Gestalten verschiedener

Ebenen

Es gehört zu den unbegreiflichen Launen der Geistesgeschichte,

daß die Kunstphilosophie das Ineinander von Gestalten verschie-

dener Ebene nicht beachtete.

Die Grundtatsache, welche hier vorliegt, ist jedem bekannt: Die

Gestalten einer Dichtung, eines Tonwerkes, eines Gemäldes, eines

Bildwerkes, eines Gebäudes, einer schauspielerischen Leistung, eines

Tanzes sind nicht aus einerlei Holz geschnitzt; vielmehr sind in

ihnen stets Mittel verschiedener Art, und zwar, was wichtig ist,

zugleich verwendet. Wir unterscheiden, wie sich auch schon ergab:

die Gestalten g e i s t i g e r A r t oder geistigen Mittels wie

z. B. die Nixe und den Fischer oder Siegfried und Hagen; und zwar

in rein innerlicher Bestimmtheit (abgesehen von aller äußerlichen

Bestimmtheit); ferner

die Z e i t g e s t a l t e n oder Gestalten zeitlicher Ebene, so die

Silbenmaße in der Dichtung, die Zeitmaße (Rhythmen) in der Ton-

kunst, samt den Betonungen (Akzenten), welche zur Gliederung der

Zeitmaße gehören; desgleichen in der Tanzkunst, der Schauspiel-

und Vortragskunst; mittelbar auch in der Architektur, welche

treffend „gefrorene Musik“ genannt wurde. Weiter unterscheiden

wir

die R a u m g e s t a l t e n oder Gestalten räumlicher Ebene,

welche in der bildenden Kunst hervorragen, aber auch in der schau-

spielerischen Kunst, der Tanzkunst und der Tonkunst (Bewegungen

des Leiters und der Spieler) eine Rolle spielen. Endlich sind noch

zu unterscheiden

die s i n n l i c h - s t o f f l i c h e n Gestalten oder Gestalten

der sinnlich-stofflichen Ebene, welche überall dort gegeben ist, wo

es sich um Farbe, Ton und andere sinnliche Beschaffenheit, z. B. der

Werkstoffe in der Bildnerei und in der Baukunst oder auch in der

Schauspielkunst, Theatermalerei, Tanzkunst, um die Verleiblichung

der Dichtung und die leibliche Darstellung überhaupt, z. B. die

Maske des Schauspielers, handelt.

Wir müssen es geradezu als einen der Hauptpunkte der Kunst-

philosophie bezeichnen, die Mittel der Gestaltung nicht als einheit-

lich zu fassen, sondern sie als von verschiedener Artung, v e r -