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sammen, worunter also sowohl die näheren und ferneren E n t -
s p r e c h u n g s - o d e r F o l g e g e s t a l t e n wie die sonsti-
gen geistigen H i l f s g e s t a l t e n zu verstehen sind. — Die na-
turhaften Gestalten aber, von Zeit, Raum und Sinnlichkeit, bleiben
als G e s t a l t e n f r e m d e r E b e n e von den geistigen grund-
sätzlich getrennt.
Aus dem Früheren haben wir ferner festzuhalten, daß auch die
geistige Urgestalt sich nicht selber aussprechen könne; sie bedarf
vielmehr der Entsprechungs- und Folgegestalten, so die Nixe des
Fischers, Faust des Mephisto, Siegfried des Hagen.
Wir verfolgen diese wichtige, bisher von keiner Kunstphilosophie
ernsthaft in Angriff genommene F r a g e d e r i n n e r e n G l i e -
d e r u n g d e r g e i s t i g e n G e s t a l t e n a m B e i s p i e l e
der am reichsten entfalteten Kunstform, des Schauspiels.
An jedem S c h a u s p i e l e ist zu unterscheiden: Der Haupt-
held oder die geistige Urgestalt; die Entsprechungs- und Folge-
gestalten nebst den anderen abgeleiteten Gestalten; endlich der
Entfaltungsgang des Ganzen im Ablaufe der Ereignisse.
1.
Die U r g e s t a l t als Hauptträger und Vertreter des Geistes-
gehaltes der Eingebung. Sie wird allein oder doch vor allem vor-
gestellt durch den H a u p t h e l d e n . Jedoch kann, im Falle der
Sinn des Eingebungsgehaltes es verlangt, auch eine Mehrheit von
Personen an die Stelle des einen Helden treten. So bei Liebenden
oder Brüdern, wie z. B. in der antiken Tragödie, in Schillers „Braut
von Messina“, in Nestroys „Zwillingen“. Ein bemerkenswertes Bei-
spiel für eine weitere Mehrheit ist Shakespeares „Sommernachts-
traum“, wo nicht ein, sondern zwei Liebespaare nötig sind, um dem
Geistesgehalte des Stückes gerecht zu werden. Allerdings muß den-
noch eines davon im Mittelpunkte stehen, das heißt den Vorrang
haben (nämlich das menschliche Liebespaar). Indessen gehört die
größte Meisterschaft dazu, bei solcher Vielheit die Einheit nicht zu
verlieren; die z. B. der dramatisch minder gewaltige Tieck in
seinen Märchendramen nicht aufzubringen vermochte. Dagegen se-
hen wir diese Meisterschaft auch in Schillers „Teil“ bewährt, wo
auch, der Idee gemäß, das Volk auftritt (nämlich im Rütlischwur).
2.
Der Unterschied von Urgestalt und E n t s p r e c h u n g s -
g e s t a l t e n neben anderen a b g e l e i t e t e n G e s t a l t e n
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8 Spann, 19