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A. Die g e i s t i g e G e s t a l t
1. Das Wesen
Im Gegensatze zum Wissen entsteht, wie früher dargelegt, die
geistige Gestalt eines Kunstwerkes, indem das in der Eingebung
Erfaßte nicht vergegenständlicht, nicht durch Entgegensetzung zum
Objekte gemacht und dadurch g e w u ß t wird; vielmehr an einem
Anderen als einem Mittel ausgedrückt, dargestellt, und das heißt,
gestaltet wird.
Dieses Andere ist aber auf der geistigen Ebene selbst eine geistige
Gestalt! In unserem obigen Beispiele des Fischers von Goethe spricht
sich die in sich stumme Magie des Wassers an der geistigen Gestalt
der „Nixe“ und diese selbst wieder an jener des „Fischers“ aus,
gestaltet sich daran.
Ein anderes Beispiel: Bei dem siegreichen Feldherrn Macbeth
wird der Kern der — von Shakespeare eingebungsvoll erfaßten —
Gesinnungs- und Gemütsart durch die ihm erscheinenden Hexen
und ihre Weissagungen gestaltet: Die Hexen sind jenes „Andere“,
jenes Mittel (das selbst eine geistige Gestalt ist), an welchem sich
der sonst unaussprechliche Eingebungsgrund gestalten kann (worauf
natürlich weitere Gestaltungen noch folgen müssen). Damit möchte
ich übrigens keineswegs jenen beipflichten, welche die Hexen nicht
für wirkliche Erscheinungen, sondern lediglich für Einbildung des
Feldherrn halten. Denn Shakespeare und seine Zuhörer glaubten an
solche Erscheinungen! — An den Hexen selbst ist natürlich nur
Sinn und Bedeutung ihrer Erscheinung und Weissagung „geistige
Gestalt“, ihre Leiblichkeit, die Worte, Töne, Zeitmaße gehören den
naturhaften Ebenen der Gestaltung des Ganzen an, auf welchen sie
ihrerseits sich erst wieder darstellen müssen.
Praktisch untrennbar von der geistigen Gestalt ist in der Dich-
tung die Sprache, das Wort, seinem Bedeutungsgehalt nach (anderer-
seits gehört es durch Silbenmaß und Klang schon der zeitlichen und
sinnlichen Ebene an). Nichts ist dem Geiste so nahe wie das Wort,
und doch ist bekannt, wie schwer der Dichter mit ihm oft zu ringen
hat; indem er es nämlich als Gestaltungsmittel verwendet. Wir
erinnern an Schillers Distichon in den „Xenien“: