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Die Sprache

Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen?

S p r i c h t die Seele, so spricht, ach, schon die S e e l e nicht mehr!

Schiller unterscheidet hier deutlich die geistig-seelische Gestalt als

ein Selbständiges neben der Wortgestalt, an der Wortgestalt soll

sich die geistige Gestalt mit verwirklichen.

Grundsätzlich dasselbe gilt auch für die anderen Künste, wie denn

auch die Klage, das Kunstwerk habe der Seele des Künstlers weit

vollkommener vorgeschwebt, als er es zu gestalten vermochte, all-

gemein ist und in ihrer Weise die grundlegende Wichtigkeit der

Unterscheidung von Eingebung und deren Gestaltung auf verschie-

denen Ebenen aufs klarste bestätigt.

Wie sich von selbst versteht, gehört die geistige Gestalt nicht nur

der Dichtung an. Odysseus, Parzival, Beatrice können auch gemalt,

in Stein gehauen, ihr Geistiges kann auch in Töne gesetzt werden.

Auch die Baukunst ist davon nicht ausgeschlossen, insofern sie z. B.

die Häuser der Genannten anders bilden müßte als etwa gewöhn-

liche Wohnhäuser; wie denn auch Kirche und Tempel stets anders

gebaut werden als der Königspalast oder Nutzgebäude: Allen diesen

liegt ein anderer Geistesgehalt, welcher in ihnen Gestalt annimmt,

zugrunde.

2. Die innere Gliederung der geistigen Gestalten

In dem Bisherigen liegt schon deutlich, daß die geistige Grund-

lage oder der Eingebungsgehalt des Schönen sich nicht nur in einer

einzigen geistigen Gestalt darstellt. Wir fanden vielmehr, so am

Beispiele des „Fischers“ von Goethe, daß sich eine geistige Grund-

gestalt, die Nixe, an weiteren Entsprechungsgestalten erst weiter-

bestimmen müsse, nämlich dem Fischer, welchem wieder fernere

Entsprechungen: Fischlein, Sonne, Mond und Sterne folgen.

Diese Unterscheidung einer ersten geistigen Gestalt von ihren

unmittelbar nahen und ihren ferneren Entsprechungen und Ergän-

zungen halten wir nun fest, um die innere Gliederung der geistigen

Gestaltenwelt des Schönen genauer zu bestimmen. Wir nennen die

erste geistige Gestalt (im „Fischer“ die Nixe) die G r u n d g e -

s t a l t oder U r g e s t a l t ; die anderen dagegen fassen wir unter

dem Sammelnamen der a b g e l e i t e t e n G e s t a l t e n z u -