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Aber aus der Art der Eingebung fällt ein Licht auf die geistigen

U r g e s t a l t e n seiner Dichtungen und der darauf beruhenden

Entsprechungsgestalten wie ferneren Ableitungen.

Hier führt die Gestaltenlehre neue Gesichtspunkte in jene Rich-

tung der sogenannten Literaturwissenschaft und der Kunstwissen-

schaft ein, welche sich um die Persönlichkeit des Dichters selbst

bemüht. Die Verfolgung der angedeuteten Gesichtspunkte zeigt

insbesondere, wie sich die Grundeingebungen aus dem Reichtume

seines Wesens selbst entwickeln und wie sich der Künstler gleichsam

in eine Vielheit von Grundgestalten und Entsprechungen seinem

Gesamtwerke gemäß aufspaltet. In Mozarts Musik kehrt z. B. der

musikalische Grundcharakter (das ist die Grundgestalt) des Pagen

mit anderer Prägung im „Don Juan“ wieder!

Auf solche Aufspaltung in eine Vielheit von Geistesgestalten

scheint uns Goethe hinzudeuten, wenn er von Homer sagt (in den

Weissagungen des Baktis):

Ewig wird er euch sein der Eine, der sich in Viele

Teilt, und Einer, jedoch ewig der Einzige bleibt.

B. Die Z e i t g e s t a l t

Die geistigen Gestalten können nicht im Innern des Künstlers

verbleiben, sie müssen nach außen hin vermittelt werden. Dies

geschieht, wie wir wissen, durch die Übertragung auf die natur-

haften Seinsebenen.

Den Ü b e r g a n g dazu bildet ihre Übertragung in die Zeit;

denn die Zeit gehört sowohl dem Geiste selbst, welcher auch in der

Zeit lebt, wie der stofflich-sinnlichen Natur an. Die Zeit ist, so

können wir das ausdrücken, die g e i s t e s n ä c h s t e unter allen

Gestaltungsebenen, welche nicht selbst Geist sind. Wir können zwar

g e i s t e i g e n e Zeit und naturhafte Zeit unterscheiden, aber sie

bleibt doch Zeit!

Durch die Übertragung der von der Eingebung abgenommenen,

rein geistigen Urgestalten und Entsprechungsgestalten in die Zeit

entsteht das, was wir am genauesten die Zeitgestalt nennen. Am auf-