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7.
Die V ö l k e r (nationalen Gesellschaften) sind wieder unter-
einander verbunden (Völkerwelt).
8.
Dieser Gesamtzusammenhang von Individuen ist d a u e r -
h a f t , e n t w i c k l u n g s - u n d g e s i t t u n g s f ä h i g .
9.
Er zeigt V e r b i l d u n g s - u n d S t ö r u n g s e r s c h e i -
n u n g e n .
Gehen wir sogleich zur kritischen Betrachtung dieser geradezu
grandiosen, eine ungeheure Fülle sozialer Wirklichkeit in sich auf-
nehmenden Anschauung von dem Aufbau und Wesen der Gesell-
schaft über. Wir haben da vor allem zu beachten, daß sie zweierlei,
in methodologischer Hinsicht grundsätzlich heterogene und daher
bei der Beurteilung zu trennende Elemente enthält: die formale Be-
stimmung des G e s e l l s c h a f t l i c h e n (nämlich als psychische
Wechselbeziehung, Punkt 1), und die materiale Bestimmung der
Verwirklichung des Gesellschaftlichen in der menschlichen Gesell-
schaft nach ihren wesentlichen Merkmalen (formelle und funktio-
neile Differenzierung, Dauer, Entwicklungsfähigkeit usw.).
Das erstere Moment geht auf die Festlegung eines formalen Ge-
sellschaftsbegriffes, das heißt auf die g r u n d s ä t z l i c h e Bezeich-
nung des Gesellschaftlichen gegenüber dem Psychologischen, Physi-
kalischen, Organischen usw. Die anderen Momente gehen auf die
m a t e r i e l l e Bestimmung eines irgendwie (hypothetisch) als ge-
sellschaftlich Vorausgesetzten, auf den materiellen Ausbau einer
Theorie der menschlichen Gesellschaft (materialen Gesellschafts-
begriffe).
In eine Kritik der formalen Bestimmung des Gesellschaftlichen
haben wir in diesem Zusammenhang nicht einzutreten
1
. Was die
materialen Bestimmungen anbelangt, so stellen diese eine Auseinan-
derlegung der gesellschaftlichen Erscheinungen in zwei große Haupt-
gruppen dar: Erscheinungen des Gesellschafts b e w u ß t s e i n s und
des Gesellschafts k ö r p e r s. Diese letzteren werden als ä u ß e r e
V e r a n s t a l t u n g e n des Gesellschaftsbewußtseins aufgefaßt
und wieder nach Objektivationssystemen geschieden. — Es ist er-
1
Vgl. dazu die Ausführungen in meiner Schrift: Zur Logik der sozialwissen-
schaftlichen Begriffsbildung, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft,
Bd 61, Tübingen 1905, S. 326 ff. und 442; ferner unten IV. Kapitel, Die Kritik
Simmels.
6 Wirtschaft und Gesellschaft