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sichtlich, daß die Prüfung dieser Haupteinteilung der gesellschaft-
lichen Erscheinungen auf die Prüfung der Frage hinausläuft: ob das
Gesellschaftliche aus psychischen und physischen B e s t a n d t e i -
1 e n zusammengesetzt sei.
Diese Bestimmung steht zunächst im Widerspruche mit dem all-
gemeinen (formalen) Begriffe, den Schäffle überhaupt vom Gesell-
schaftlichen als solchem aufstellt. Darnach ist es die Wechselbezie-
hung zwischen Individuen, also etwas, was nur psychischer Natur ist,
was das Gesellschaftliche ausmacht. Also könnten physische Dinge
(Sachgüter) niemals B e s t a n d t e i l e dieses Gesellschaftlichen sein.
Hier wird somit der formale Gesellschaftsbegriff von Schäffle tat-
sächlich aufgegeben, allerdings, wie wir glauben, nicht zum Nachteile
der materialen theoretischen Untersuchung; hingegen wohl zum
Nachteile der Auseinanderlegung des Gesellschaftlichen in Erschei-
nungsgruppen. Zum Nachteile der ersteren nicht, weil dieser Mei-
nung die richtige Erkenntnis zugrunde liegt, daß die d i r e k t e
B e z i e h u n g zu materiellen Umweltsbestandteilen (Sachgütern)
nicht ignoriert werden kann, sondern eminent sozialwissenschaft-
licher Natur ist.
In der bloßen Festhaltung dieser Beziehung allein liegt auch die einzige Mög-
lichkeit zur Konstruktion eines sozialwissenschaftlichen Gutsbegriffes. Ein eigener
B e s t a n d t e i l des Wirtschaftlichen oder Gesellschaftlichen ist die Sache, welche
zum „Gut“ wird, nie; Bestandteil des Wirtschaftlichen ist nur die B e z i e h u n g
zu jener Sache, das V e r f l o c h t e n s e i n derselben in dasjenige, was das Soziale
(beziehungsweise das Wirtschaftliche) ausmacht: die funktionellen Beziehungen
unserer Handlungen (oder ihrer Ziele) zueinander. Ein wirtschaftliches Gut wäre
dann z. B. grundsätzlich alles, was in das funktionelle System wirtschaftlicher
Handlungen eingeht. Dabei ist aber nicht die S a c h e , die das Gut abgibt, ein
Bestandteil des Wirtschaftlichen oder Sozialen, sondern die Verflechtung in das
funktionelle System der Handlungen, mit einem Wort, die B e z i e h u n g e n
zu dieser Sache sind es, welche ein wirtschaftliches (soziales) Phänomen darstellen.
— Eine nähere Begründung dieser, übrigens wohl auch für sich schon einleuch-
tenden Bestimmung wäre ohne ein weiteres Ausholen nicht möglich.
Was Schäffle selbst anbelangt, so verteidigt er seinen Standpunkt gelegentlich
der Zurückweisung der Bestrebungen, die Soziologie zur „reinen Geisteswissen-
schaft“ zu machen, folgendermaßen: „Die Frage ist... ob es genügt, die Ge-
samtinnerlichkeit und nicht auch die Gesamtverkörperung (der Gesellschaft), das
heißt den Inbegriff der aus den eigenartigen Elementen — Land, Sachgüter und
Personen — aufgebauten äußeren Institution zu erfassen. Ich lehne diese Be-
schränkung ab, denn ich bedenke, daß der individuelle Geist nicht vor der Ge-
sellschaft vorhanden gewesen sein kann, die Gesellschaft nicht nachträgliches
Produkt... sein wird; ich bedenke, daß die Gesellschaft mir als Inbegriff von
äußeren Institutionen und Verrichtungen besteht... daß die Elemente, aus wel-