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Was dann die Veranstaltungen für die besonderen Gesittungs-
zwecke betrifft, so ist bei denjenigen, die den materiellen Gesell-
schaftsbedürfnissen dienen, das Einteilungsprinzip der fünf Güter-
funktionen noch teilweise zugrunde gelegt, während bei den Ver-
anstaltungen der geistigen Gesellschaftsbedürfnisse jedes Ableitungs-
prinzip fehlt. Dennoch tritt der große induktive Reichtum des
Schäffleschen Denkens auch hier allenthalben zutage.
Vergleichen wir zum Schluß die oben dargelegte Systematik mit
der von Schäffle in „Bau und Leben“ durchgeführten Systematisie-
rung der gesellschaftlichen Erscheinungen, so stellt der neue Entwurf
zweifellos eine Vertiefung dar. Recht und Moral, Kommune und
Staat, Familie und Massenzusammenhang haben eine neue Bestim-
mung und Stelle im System erhalten, einige Begriffe haben bedeu-
tende Umbildung erfahren oder sind neu hinzugekommen, wie
Macht und Ökonomik. Aber der frühere Entwurf war doch ein-
heitlicher aufgebaut; er ging auf die Unterscheidung physischer und
psychischer Elementarbestandteile zurück, baute dann auf die fünf
Funktionen des physischen Elementes (der Sachgüter) die fünf Ge-
werbearten oder Elementarverbindungen (Gewerbe der Niederlas-
sung, des Schutzes, des Haushaltes, der Technik und der geistigen
Arbeit) auf und auf diese die äußeren Organsysteme. Diesen wurden
die inneren Organsysteme (freilich ohne jenen einheitlichen Eintei-
lungsgrund der fünf Güterfunktionen) zur Seite gestellt. Dieses
System ist als Ganzes und im einzelnen sehr anfechtbar, aber es
nimmt doch den ungeheuren Reichtum der sozialen Wirklichkeit in
hohem Maße in sich auf. Der heuristische Wert der biologischen
Analogie wird hier deutlich; sie erleichterte es, ja zwang dazu, der
Kompliziertheit der sozialen Erscheinungen Rechnung zu tragen.
Gerade hier steht denn auch der neue Versuch, der auf dieses Hilfs-
mittel ganz verzichtet hat, vor dem älteren zurück; er hat manches
nebeneinander gestellt was in kompliziertere Hierarchie gefächert
zu werden verlangte.
Hervorzuheben ist schließlich, daß der formale Gesellschaftsbe-
griff der psychischen Wechselbeziehung für den Aufbau dieser Syste-
matisierung keine Dienste zu leisten vermochte. Beweis genug für
seine gänzliche Unzulänglichkeit. Er mußte im Gegenteil sogar offen
aufgegeben werden, nämlich in der Unterscheidung physischer und
psychischer Elementarbestandteile.