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gerettet werden; und das Kunstwerk kann als schön, ja als unver-

gänglich auftreten und wirken.

Homer wirkt ewig durch Gehalt wie durch Gestalt, aber Wolf-

rams „Parzival“ könnte ohne seinen tiefen Gehalt schwerlich so

wirken, wie er es wirklich tut. Auch den wunderbaren Romantiker

Ludwig Tieck darf man, ohne ihm zu nahe zu treten, als Beispiel

dafür ins Feld führen, dessen „Elfen“, „Reise ins Blaue hinein“,

„Tod des Dichters“, „Aufstand in den Cevennen“ (und andere

Werke) trotz der Mängel ihrer Form (Tieck war sein Leben hin-

durch leidend und konnte sich der Ausfeilung der Form kaum

widmen!) in ihrem unsterblichen Werte keineswegs vernichtet wer-

den. Die Tiefe der Eingebung, die Treue der Geistesgestalt konnte

bei allen sonstigen Mängeln herübergerettet werden, weil der Be-

deutungsgehalt der Worte das Wesentlichste noch zu leisten vermag.

Allerdings (und das ist wichtig) wäre das dennoch nicht möglich,

wenn nicht die Urgestalt und die sie ergänzenden Entsprechungs-

und Nebengestalten die Eingebungen in ihrer Tiefe wiedergäben.

In gewissem Maße gilt das freilich auch für andere Künste. Wir

könnten uns z. B. vorstellen, daß Dürers „Ritter, Tod und Teufel“

auch bei weniger vollkommener Ausführung allein schon dadurch

eine bedeutende Wirkung ausübten, daß die Grundeingebung durch

den Ritter als Urgestalt und sodann durch den Tod mit seiner

Schindmähre, dem Gegensatz zum feurigen Pferde des Ritters, fer-

ner den Teufel, den treuen Hund als Entsprechungsgestalten her-

übergerettet wäre.

Wenn nun auch in der Dichtung die Zeit- und Tongestalten nicht

jene beherrschende Stellung haben wie in anderen Künsten, so dro-

hen andererseits durch Übertragung des Geistesgehaltes auf die

Sprachebene stets Verluste. So sagt Schiller in einem Briefe an Kör-

ner (aus dem „Don Carlos“ später weggelassen):

. .. schlimm, daß der Gedanke

Erst in der Worte tote Elemente

Zersplittern muß, die Seele sich im Schalle

Verkörpern muß, der Seele zu erscheinen.

Z u s a t z ü b e r d a s G e s a m t g a n z e d e r S p r a c h e

Endlich ist noch zu beachten, daß die Worte als Träger von Silbenmaßen und

Akzenten nicht ohne das Ganze der Sprache bestehen können. Jede Sprache hat

aber ihre arteigenen Wortstellungen und Satzbildungen (Syntax), woraus sich wie-

der arteigene Möglichkeiten der Zeitmaße, Akzente, Lautbestände ergeben. (Man